Traditionsfirma „Schuhhaus Hartmann“ zieht um
"Das ist alles ein Riesenaufwand"

Barbara und Philip Zech übernahmen das Schuhhaus vor 30 Jahren. Am alten Ort wären sie gern geblieben.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Generationen von Spandauern kennen die „Schuhhaus Orthopädie Hartmann“ an der Pichelsdorfer Straße 132. Sie ist eine Institution. Nach 68 Jahren soll nun Schluss sein. Das Schuhhaus zieht um.

Bald werden Barbara und Philip Zech ein Schild raushängen. „Wir sind umgezogen. Neueröffnung am 5. August in der Pichelsdorfer Straße 90“. Damit ihre Kunden Bescheid wissen. Der Umzug ist allerdings nicht ganz freiwillig. Schließlich kennen die Spandauer das Schuhhaus seit 68 Jahren am Standort Pichelsdorfer 132. Da zieht man nicht einfach so um. Schuhmacherobermeister Josef Hartmann und seine Frau Marie haben es 1949 gegründet, zunächst an der Ruhlebener Straße, zwei Jahre später dann als „Fußhilfe-Hartmann“ an der Pichelsdorfer. Es wird erzählt, dass Marie Hartmann damals Deutschlands erste Schuhmachermeisterin war.

Mietinteressenten standen neben Kunden im Geschäft

Die Spandauer Philip und Barbara Zech übernahmen das Schuhhaus 1989 und setzen die Tradition seitdem fort. Er ist Orthopädie-Schuhmachermeister, entwirft und baut maßgefertigte Schuhe und Einlagen in der hauseigenen Werkstatt, sie führt das Geschäft. Vor vier Jahren erst haben die Zechs aufwendig und behindertengerecht saniert. Für rund 80.000 Euro. Nun stecken sie seit fünf Monaten wieder im Stress, müssen renovieren, Kartons packen, über tausend Schuhleisten aus den Kellern räumen und eine Umzugsfirma für die schwere Schleifmaschine, Stanzenpresse, das Tiefziehgerät und andere Geräte besorgen. „Das ist alles ein Riesenaufwand“, sagt Barbara Zech. Die beiden Inhaber haben zwar ihrem privaten Vermieter selbst gekündigt, aber nicht grundlos. Nach dem Wechsel der Hausverwaltung sollten die Zechs einen neuen Mietvertrag bekommen. Trotz Mieterhöhung überlegten die Geschäftsleute zuzustimmen. „Doch dann standen plötzlich irgendwelche Mietinteressenten in unserem Geschäft und wollten sich alles anschauen. Und das vor der Kundschaft“, ärgert sich Philip Zech. „Das ist verantwortungslos, auch unseren Mitarbeitern gegenüber.“ Schließlich ließ ihnen der Vermieter mitteilen, dass ihr Mietverhältnis über 2020 hinaus nicht verlängert wird. „Wir sind hier mit unserem traditionellen Handwerk offenbar nicht mehr erwünscht“, sagt der Fußspezialist.

Die Hausverwaltung „Iris Hofmann Immobilien, Inh. S. Hofmann“ sieht das völlig anders. „Seit dem 2. April 2015 erfolgen mit Herrn Zech Gespräche über eine Änderung der Mietverträge“, sagt Iris Hofmann. „Ihm wurden moderate Mietkonditionen angeboten.“ Da sich die Verhandlungen zur Vertragsänderung aber über vier Jahre hinzogen, seien die Eigentümer der Immobilie zu der Ansicht gekommen, dass es zu keinem Abschluss kommen würde. Aus diesem Grunde wurden die Gewerberäume anderen Mietinteressenten vorgestellt. Die Besichtigungstermine „wurden mit Zechs abgestimmt, Kunden waren – im Gegensatz zu der von Herrn Zech aufgestellten Behauptung – nicht vor Ort“, so Iris Hofmann weiter. Der Auszug des Schuhhauses beruhe allein auf der Entscheidung des Geschäftsinhabers, die Gewerberäume zu kündigen, „weder Eigentümer noch die Hausverwaltung sind dafür verantwortlich“.

Weniger Platz,
aber alle Mitarbeiter können bleiben

Zum Glück haben die Zechs an der Pichelsdorfer Straße 90, direkt an der Bushaltestelle „Weißenburger Straße“ neue Gewerberäume gefunden. Das dürfte für die über 10.000 Stammkunden aus ganz Berlin und Umland kein allzu großer Umweg sein. Am neuen Standort haben die Zechs zwar rund 90 Quadratmeter weniger Platz. Aber die zehn Mitarbeiter und Azubis kommen alle mit. Auch die Werkstatt wird wieder eingerichtet, und der neue Behindertenparkplatz vor der Tür ist schon beantragt.

In der Wirtschaftsförderung des Bezirksamtes kennt man das Problem. „Wenn Eigentümer wechseln, alte Mietverträge auslaufen und Gewerbemieten angepasst werden, müssen vor allem kleinere Unternehmen umziehen“, sagt Patrick Sellerie, Leiter der Wirtschaftsförderung. Was nicht leicht sei, da adäquate Gewerberäume fehlen. In den vergangenen vier Jahren hätten sich aber nur fünf Geschäftsleute mit diesem Problem an die Wirtschaftsförderung gewandt, sagt Sellerie. Er geht allerdings von einer höheren Dunkelziffer aus, denn „nicht jeder kommt zu uns“.

Barbara und Philip Zech sind derweil weiter am Packen. Ab dem 5. August laden sie die Spandauer zur Eröffnungswoche in die Pichelsdorfer Straße 90 ein. Dann kann man Philip Zech in der Werkstatt bei der Arbeit zuschauen, neue Ledersorten testen und die Herbstkollektion entdecken.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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