Historiker Michael Roeder will mit Gedenktafel an Deserteur erinnern

Tatort Uhlandstraße: Der Historiker Michael Roeder möchte dort, wo ein 17-Jähriger durch die SS erhängt wurde, an den Mord erinnern. | Foto: Schubert
  • Tatort Uhlandstraße: Der Historiker Michael Roeder möchte dort, wo ein 17-Jähriger durch die SS erhängt wurde, an den Mord erinnern.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. In den letzten Kriegstagen töteten Nationalsozialisten einen 17-Jährigen, der nicht kämpfen wollte, vor den Augen der Anwohner. Ob ihm eine Gedenktafel gewidmet wird, prüft die Kommission des Bezirks seit Monaten.

Man schrieb die letzten Apriltage des Jahres 1945, und das Nazi-Regime zog zur Verteidigung Berlins nun jeden heran, der ihm noch kräftig genug erschien, Waffen zu tragen. Ein 17-Jähriger, der das nicht wollte, bezahlte seine Weigerung kurz vor Kriegsende mit dem Leben. Mehrere Tage mussten Anwohner seinen Leichnam an einem Mast an der Uhlandstraße, Ecke Berliner Straße hängen sehen, wo die SS ihn erhängt hatte.

Braucht dieses Grauen eine eigenständige Würdigung? Der Historiker Michael Roeder sagt ja. Und das, obwohl Charlottenburg-Wilmersdorf in der Murellenschlucht nahe der Waldbühne bereits über einen angemessenen Gedenkort für NS-Deserteure verfügt.

"Offenbar gibt es die Vorstellung, damit sei genug getan. Aber das ist nicht der Fall", glaubt Roeder. Das Eigentümliche an der Ermordnung des 17-Jährigen und seiner Schicksalsgenossen sei gewesen, dass sie mitten in der Stadt vor den Augen der Anwohner geschah - zwecks Abschreckung.

"So wichtig die Gedenkstätte in der Murellenschlucht ist - sie ist weit weg vom Alltag", kritisiert Roeder. Mit seinem Ansinnen, an den namentlich nicht bekannten Deserteur zu erinnern, weiß er Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) auf seiner Seite. Der hatte Zeitzeugen dazu aufgerufen, vom Fall des 17-Jährigen zu berichten und damit bei der Erstellung einer Gedenktafel am Tatort zu helfen.

Tatsächlich meldeten sich einige Bürger im Alter zwischen 70 und 90 Jahren zu Wort und bestätigen den Hergang. Doch die Prüfung durch die Gedanktafelkommission des Bezirks, ob eine Tafel sinnvoll ist, blieb bisher ohne Ergebnis. Eine Entscheidung werde noch auf sich warten lassen, hieß es aus Kreisen der Kommission, die mit Vertretern aller politischer Lager besetzt ist. Man will noch das Gespräch mit weiteren Historikern suchen. Denn es gibt auch Grund zur Skepsis: So soll der junge Deserteur eine Jacke der Waffen-SS getragen haben und womöglich Mitglied gewesen sein. Das will Roeder gar nicht ausschließen und verweist auf den Schriftsteller Günter Grass, der sich ebenfalls zum Tragen dieser Kluft hinreißen ließ. "Worum es hier geht, ist nicht die SS-Geschichte, sondern die Verführung von Minderjährigen zu menschenfeindlichen Verbrechen", sagt der Historiker. Was ihm für den Mittelstreifen der Uhlandstraße in Höhe der Hausnummer 103 vorschwebt, ist nur ein kurzen Text auf einer stählernen Tafel. Die ersten 200 Euro dafür hat er schon gesammelt.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 252× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.010× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 662× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.151× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.034× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.