Erinnerung an jüdische Psychiatrie-Patienten
Ein Mann lächelt freundlich in die Kamera. Was den Betrachter stört, sind die Metallklammern, die über der Stirn und in Höhe der Krawatte zu erkennen sind. Das Porträtfoto stammt von einer Karteikarte im Landesarchiv Berlin am Eichborndamm 115-121. Sie wurde 1945 angelegt, als Bruno W. seine Anerkennung als "Opfer des Faschismus" beantragte. Ob Bruno W. reflexartig freundlich schaut, weil eine Kamera auf ihn gerichtet ist, oder ob sich in seinem Gesicht auch Erleichterung spiegelt, weil er die schlimmste Zeit seines Lebens überstanden hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Der zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme 58 Jahre alte Mann hat das Getto Theresienstadt überlebt.
Bruno W. gehört zu den wenigen jüdischen Psychiatrie-Patienten, die Hitlers Diktatur überlebten. Der Direktor einer Firma, die seine Eltern gegründet und später an einen Konzern verkauft hatten, hatte 1938 einen psychischen Zusammenbruch erlitten. Anlass war seine Entlassung wegen seiner jüdischen Herkunft. Seine Ehe mit einer Nichtjüdin hatte ihn vermutlich zunächst vor der Deportation in ein Vernichtungslager bewahrt, doch 1943 traf es auch ihn. Er wurde in das Getto Theresienstadt verlegt. Außer seinem Überleben ist noch bekannt, dass er 1952 auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt wurde.
Viele andere jüdische Patienten überlebten das Dritte Reich nicht. Ab Sommer 1940 wurden sie unabhängig von ihrer Erkrankung und dem Grad ihrer Arbeitsfähigkeit ermordet. Der organisierte Mord an den jüdischen Patienten gilt als erster planmäßiger Massenmord an Juden. An den damaligen Wittenauer Heilstätten, der späteren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, wurden ab 1939 insgesamt 235 jüdische Patienten aufgenommen, die später ermordet wurden. Einige ausgewählte Schicksale zeichnet die Ausstellung anhand von Fotos, Dokumenten und Erläuterungen nach.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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