Erinnerung an jüdisches Leben
Audiorundgang „Hörenschönhausen“ hat jetzt eine 21. Station

Auf dem Gedenkstein in der Konrad-Wolf-Straße erinnert eine Tafel an die ehemalige Synagoge – und jetzt gibt es auch Hintergrundinfos beim Audiorundgang "Hörenschönhausen". | Foto: Berit Müller
  • Auf dem Gedenkstein in der Konrad-Wolf-Straße erinnert eine Tafel an die ehemalige Synagoge – und jetzt gibt es auch Hintergrundinfos beim Audiorundgang "Hörenschönhausen".
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Wer sich für die Geschichte des Wasserturms, das Geheimnis von Prinzessin Oranke oder die Entstehung der Frauenskulptur Elegie am Obersee interessiert, erfährt viel Wissenswertes im Audiorundgang „Hörenschönhausen“ des Fördervereins Obersee und Orankesee (FOO). Jetzt hat die Liste der Stationen Zuwachs bekommen. Die neueste mit der Nummer 21 erzählt vom jüdischen Leben im Alt-Hohenschönhausener Kiez.

Eigentlich hatte der Verein rund um den 75. Jahrestag der Befreiung ein großes „Fest für die Vielfalt“ und in dessen Rahmen auch die Einweihung der neuen Hörstation geplant. Lesungen, Musik, Vorträge und Gespräche sollten im Zwei-Seen-Park ein Zeichen für eine friedliche und tolerante Gesellschaft setzen. Avisiert war die Veranstaltung für den 10. Mai, namhafte Gäste aus Kultur und Politik waren eingeladen. Doch diesen Plänen machte das Coronavirus schon früh einen Strich durch die Rechnung. So konnte die 21. Hörstation des FOO nur in einem ganz kleinen Rahmen eröffnet werden. Am Gedenkstein der ehemaligen Synagoge in der Konrad-Wolf-Straße erzählt sie nun vom jüdischen Leben in Hohenschönhausen.

Vom Gotteshaus, das einst etwa in Höhe der heutigen Apotheke gegenüber den Friedhöfen stand, gibt es nur wenige Fotos. Sie zeigen ein zweistöckiges, ehemaliges Stallgebäude mit dem Schild „Jüdische Gemeinschaft". Die Hohenschönhausener Synagoge war also nicht mit den repräsentativen Bauten in Berlins Mitte zu vergleichen. Denn die jüdische Gemeinde in diesem Teil der Metropole war damals zahlenmäßig noch zu übersichtlich.

Gemeinde erst 1933 gegründet

Erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 schlossen sich die etwa 170 jüdischen Hohenschönhausener zu einer Gemeinschaft zusammen und veranstalteten Gottesdienste – zunächst noch in Wohnungen. Ihren eigenen Betraum richteten sie in einem Hofgebäude in der damaligen Berliner Straße 91 ein. Synagogenweihe war im Sommer 1935. In seinem Audiorundgang lässt der Förderverein Jizchak Schwersenz zu Wort kommen, der 1938 Vorbeter in der Synagoge war. Zitiert wird er mit Erzählungen aus dem Jahr 1996: „Der Zulauf zur Synagoge in jener Zeit war groß, man suchte Hilfe und Zuspruch, man brauchte Erbauung. Und so waren alle damals noch befindlichen Gottesdiensthäuser… gut besucht. In jener Zeit gingen auch Menschen zum Gottesdienst, die früher nicht gegangen sind.“ 

Dem kleinen Hohenschönhausener Gotteshaus war nur eine kurze Lebensdauer beschert. Schon nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 musste die Gemeinde ihre Tätigkeit einstellen. Das Gebäude blieb erhalten und wurde erst 60 Jahre später abgerissen. Nur wenigen Hohenschönhausener Juden gelang die Ausreise. Die Deportationen begannen im Oktober 1941.

Nur wenige überlebten

Wer versuchte, unterzutauchen, hatte nur mit Hilfe der wenigen mutigen Nachbarn eine Chance. Auch an diese erinnert die Hörgeschichte – etwa an das Ehepaar Schrödter, Bäckermeister Hildebrandt und seine Frau und die Malchower Familie Naujock. Der größte Teil der jüdischen Gemeinschaft Hohenschönhausen überlebte die Nazidiktatur nicht.

Ausführlicher über die Synagoge und das jüdische Leben informiert die 21. Station des Audiorundgangs. 75 Jahre nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus habe der Förderverein damit ein Zeichen gesetzt, sagt der Vorsitzende, Björn Döring, und fasst es so zusammen: „Wir wollen an das jüdische Leben und die Menschen jüdischen Glaubens in Hohenschönhausen erinnern, an den Tod vieler von ihnen in den nazionalsozialistischen Konzentrationslagern und an diejenigen, die sich mutig den Nazis widersetzten, um ihren jüdischen Nachbarn das Leben zu retten. Wir wollen erinnern und mahnen, damit sich das Grauen nie wiederholt. Wir wollen aber auch eine Brücke schlagen in das Hier und Jetzt und zeigen, was jüdisches Leben heute und wie das Mit-und Nebeneinander verschiedener Kulturen und Religionen in Hohenschönhausen gelingt.“

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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