Mit Herz und Berliner Schnauze
Marlene Szaulat war Orgel-Rieke

Marlene Szaulat in ihrer Wohnung in Alt-Hohenschönhausen. Anfang Mai erscheint ihre Autobiographie „Ohne Spagat geht nichts“. | Foto: Bernd Wähner
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Als Orgel-Rieke war sie jahrzehntelang stadtbekannt. Marlene Szaulat spielte nicht nur mit Leidenschaft ihre Drehorgel, sondern sang sich mit Charme und Berliner Schnauze in die Herzen ihres Publikums. In einem Buch lässt die inzwischen 84-Jährige ihr Leben Revue passieren.

Sie erzählt, wie sie zum Drehorgelspielen kam, von Auftritten mit Prominenten wie Helga Hahnemann und von so manchen Anekdoten, die sie erlebte. Es ist ein sehr persönliches Buch, das auf 150 Seiten einen Blick ins Innere der immer fröhlichen Orgel-Rieke freigibt. „Ohne Spagat geht nichts“ ist der Titel dieser Autobiographie, die den Untertitel „So wurde ich ein Berliner Original“ trägt.

Begonnen hat alles als Gag

Seit den 80er-Jahren sorgte Marlene Szaulat mit Alt-Berliner Liedern und anderen Schlagern für Stimmung auf der Bühne. „Begonnen hatte die ganze Sache als Gag“, erinnert sie sich. „Mein damaliger Mann und ich machten bei der Blasmusikkapelle ‚Berliner Jungs’ mit. Uns wurde eine Orgel angeboten und ich lief dann hin und wieder mit der Orgel durch den Saal und spielte sie.“

Anfangs durfte sie allerdings offiziell nicht dazu singen, weil ihr der notwenige Berufsausweis als Musikerin fehlte. „Ich hatte nur eine vorläufige Auftrittsgenehmigung. Darum summte ich einfach die Melodie und dann sangen die Leute von selbst dazu.“ Ende der 80er-Jahre hatte die Kapelle dann einen Auftritt in der Alt-Berliner Gaststätte Metzer-Eck in Prenzlauer Berg vor honorigem Publikum aus dem Kulturministerium. Was keiner der Musiker wusste: Auch der damalige DDR-Kulturminister war im Saal.

Erste Orgelspielerin mit Berufsausweis

„Zufälligerweise kam ich mit dem Mann, den ich nicht kannte, ins Gespräch“, erinnert sie sich. „Ich schimpfe über die vielen Vorschriften, die es für Musiker gab, und sagte, dass mir eigentlich die Pappe für das Singen zur Orgel fehlt. Alles ringsum kicherte bereits, weil ich so ganz offen mit Berliner Schnauze mit ihm redete. Der Mann versprach mir, dass ich meinen Berufsausweis bekommen werde. Und etwa ein Vierteljahr später war ich die erste Orgelspielerin mit Berufsausweis.“

So kam es dann auch, dass Marlene Szaulat seit dem als Orgel-Rieke mit eigenen Programmen auf der Bühne stehen konnte. „Der Unterschied zwischen mir und anderen Drehorgelspielern war: Ich stehe nicht mit der Orgel auf der Straße, sondern ich gebe Konzerte“, erklärt sie. Nach den Umbrüchen in der DDR gab es für sie zunächst keine Auftrittsmöglichkeiten mehr. „Da habe ich dann ein paar Wochen als Bardame in Clärchens Ballhaus ausgeholfen“, erzählt sie.

Unterwegs mit Schieber-Max

Doch dann erfuhr sie von einer elektronischen Drehorgel, die zusätzlich ein Schlagzeug und ein Glockenspiel hatte. Die wurde angeschafft, und dann ging es aufwärts. Da die Orgel recht schwer war, trat Orgel-Rieke offiziell fast immer mit einem Schieber-Max auf. Nach der Trennung von ihrem langjährigen Lebens- und Bühnenpartner gesellte sich später Bernd Petrak an ihrer Seite. Der schrieb unter anderem Texte für Helga Hahnemann und passt damit gut zu Orgel-Riecke: „Ich sang viele Lieder von Helga Hahnemann auf meine ganz eigene Weise“, erzählt Marlene Szaulat. Die rührige Musikerin hatte in ihrer aktiven Zeit ein Repertoire von zirka 500 Titeln. Alle waren elektronisch in ihrer Hightechorgel gespeichert.

Doch nach und nach zog sie sich von der Bühne zurück. „Wann ich endgültig aufgehört habe, kann ich gar nicht mal genau sagen“, meint sie. „Aber mir fehlt das Drehorgelspielen vor Publikum. Es war eine schöne Zeit“, lacht Marlene Szaulat, „und meinen Humor habe ich trotz mancher Wehwehchen nie verloren.“

Anfang Mai erscheint ihre Autobiographie

Neben ihren Auftritten verfasste die seit 60 Jahren in Alt-Hohenschönhausen lebende Künstlerin 15 Jahre lang eine Kolumne für eine Kiezzeitung. „Da merkte ich, dass ich auch ganz gut schrieben kann, und so wagte ich mich an mein erstes Buch“, so Marlene Szaulat. Das kam dann mit dem Titel „Orgel-Rieke. Mein Leben als Dicke“ im Jahr 2004 heraus. Während sie sich darin Gedanken zu Schönheitsidealen macht, gibt sie in ihrem neuen Buch nun einen Einblick ihr Leben als Orgel-Riecke. Erhältlich ist das Buch „Ohne Spagat geht nichts“ für 9,99 Euro ab 2. Mai im Buchhandel.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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