Ein ganz normales Leben im Bürgertreff
Alt-Hohenschönhausen. "Gemeinsam im Kiez leben" lautet das Motto des ersten inklusiven Bürgertreffs im Bezirk. In der Schöneicher Straße 10 A treffen Menschen mit und ohne Behinderung aufeinander.
Vor sieben Jahren wagte Heidi Schulze den Schritt in die Selbstständigkeit. Zeit ihres Lebens hatte sie bei ihren Eltern gewohnt. Mit 65 Jahren zog es sie in ein eigenes Leben. "Auszuziehen fiel mir wirklich nicht leicht. Das Leben bei meinen Eltern war bis dahin behütet", sagt Schulze.
Die heute 72-Jährige sitzt im Rollstuhl. Die Spastik, an der sie leidet, führt zu Lähmungen. Wegen der Schwere ihrer Behinderung war Heidi Schulze schon immer auf Hilfe angewiesen. Was früher ihre Eltern leisteten, leistet heute ein Assistent. Er hilft ihr im Haushalt, in der persönlichen Pflege. "Der Alltag ist schon sehr durchstrukturiert", sagt sie. Ein Grund, warum sie sich in der Vergangenheit oft isoliert fühlte. Und ein Grund, warum sie immer öfter Kontakte außerhalb ihres bekannten Alltags suchte. Sie ging unter Leute, in öffentliche Galerien. "Das kostete mich Überwindung." Denn das Aufeinandertreffen von Menschen mit und ohne Behinderung, so ihre Erfahrung, ist oft von Unsicherheiten geprägt. "Inklusion fängt im Kopf an", weiß Schulze. "Beide Seiten müssen sich anpassen." Im Alltag fehlt oft der Raum für dieses sensible Thema.
Der Bürgertreff in der Schöneicher Straße 10 A will nun einen solchen Raum bieten. "Es ist ein Nachbarschaftstreff, in dem alle Angebote gleichermaßen für Menschen mit und ohne Behinderung gedacht sind", erklärt die Leiterin des Treffs, Kathrin Krug.
Der Begegnungsort befindet sich im Souterrain einer Wohneinrichtung der Spastikerhilfe Berlin eG. Hier finden 32 Menschen ein Zuhause, auch wenn sie wegen ihrer Behinderung einen hohen Assistenzbedarf haben. Der Treff soll die Bewohner mit den Nachbarn im Kiez zusammenbringen, indem sie gemeinsam ihre Freizeit gestalten. Das geht etwa beim Acrylmalkurs, der Grundkenntnisse in Bildkomposition und Farbklängen vermittelt. Oder beim Interkulturellen Kochabend: Hier gibt ein Koch mit Handicap, Christian Huge, Tipps für die Zubereitung von leckeren Gerichten. Beim Computer-Club soll Anfängern wiederum der Einstieg in Textbearbeitung, Internet und Bildbearbeitung erleichtert werden.
"Das Nicht-Wissen ist auch ein Handicap. Auch wenn körperliche Behinderung sichtbarer ist, so ist Behinderung an sich immer eine Definitionssache", fügt Heidi Schulze an. Ihr Engagement in Sachen Inklusion wurde kürzlich vom Bezirk mit dem Preis für Inklusion 2015 geehrt. Sie engagiert sich für Kinder mit Behinderungen, aber auch im Bürgertreff. Sie selbst nimm am Acrylmalkurs und am PC-Kurs teil. Schulze freut sich, wenn Menschen neugierig hinzustoßen. "Inklusion bedeutet eigentlich das ganz normale Leben zu leben. Einzige Grundbedingung: Man muss es wollen."
Und wer weiß, vielleicht trifft der ein oder andere Interessierte Heidi Schulze bei den nächsten Terminen für den Acrylmalkurs an. Diese finden am 11. Januar von 15 bis 16.30 Uhr und am 25. Januar von 16.30 bis 18 Uhr statt. Der Teilnahmebeitrag für drei Monate kostet 35 Euro, ermäßigt 30 Euro. Der Computer-Club hingegen findet wöchentlich statt und startet im neuen Jahr am 14. Januar von 16.30 bis 18 Uhr. Der Teilnahmebeitrag für drei Monate kostet 20 Euro, ermäßigt 15 Euro. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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