„Bis zum letzten Tag genießen“
Pächter müssen Kleingartenanlage Hiltrudstraße bis Ende November verlassen
Jahrelang haben die Pächter für den Erhalt der Kleingartenanlage Hiltrudstraße gekämpft, doch letztlich ohne Erfolg. Der Eigentümer hat dem Bezirksverband Berlin-Marzahn der Gartenfreunde den Nutzungsvertrag zum 30. November gekündigt. Bis dahin müssen die Nutzer ihre Parzellen verlassen haben.
Von einem „Genickschlag“ spricht Tino Langhammer über die Nachricht, die sie Ende Januar erreichte. Der 38-Jährige aus Marzahn hat seit 2017 eine Parzelle auf der Anlage gepachtet. Noch viel länger dabei sind Lutz Tinius (71) aus Marzahn, der sich seit 1995 um eine Parzelle kümmert, und Adelheid Dethloff (69) aus Lichtenberg, die seit 2000 in der Hiltrudstraße gärtnert. „Wir hatten damit gerechnet, dass es so kommt“, meint sie. Ein bisschen Hoffnung, zumindest noch ein paar Jahre bleiben zu können, hätten sie allerdings doch gehabt. Ihre Worte klingen ein bisschen verbittert. „Wenn es so weitergeht, werden wir in 20 Jahren keine Kleingartenanlagen mehr haben.“ Es würden immer mehr Flächen versiegelt, kritisiert auch Lutz Tinius.
Sollte Ende dieses Jahres wirklich Schluss sein, wollen sich die beiden Senioren um keinen Kleingarten mehr bemühen. Der deutlich jüngere Tino Langhammer liebäugelt hingegen damit, sich mit seiner Familie ein Grundstück in Brandenburg zu kaufen, um dort seine gärtnerische Leidenschaft weiter ausleben zu können.
Die 1984 gegründete Kleingartenanlage Hiltrudstraße ist vergleichsweise klein. Sie befindet sich auf einem schmalen Streifen nahe der Polizeiwache Biesdorf und umfasst den Bereich Hiltrudstraße 2-36/ Cecilienstraße 113/ Blumberger Damm. Zwei der 35 Parzellen gehören der Berliner Immobilienmanagement GmbH und somit dem Land Berlin. Die anderen 33 Parzellen befinden sich im Besitz eines Privateigentümers. Dieser hatte im Januar 2021 einen Antrag auf einen Bauvorbescheid für fünf Einfamilienhäuser im südlichen Bereich der Anlage gestellt. Nach Auskunft von Stadtentwicklungsstadträtin Juliane Witt (Linke) wurde dieser Antrag im Januar 2022 positiv beschieden. Einen Bauantrag gibt es bisher jedoch nicht und damit auch keine Baugenehmigung. Eine zeitliche Anmeldung habe es beim Stadtentwicklungsamt nicht gegeben. Da es für das Areal keinen festgesetzten Bebauungsplan gibt, sind die fünf Einfamilienhäuser auf dem Grund und Boden des Eigentümers möglich. Rechtlich scheint somit alles klar zu sein.
„Es war naiv zu glauben, dass die Politik etwas unternimmt“, sagt Adelheid Dethloff. Lutz Tinius ist sicher, dass der Bezirk mehr hätte tun können, um die Kleingartenanlage zu sichern. Darauf angesprochen, erklärte Juliane Witt, dass das Bebauungsplanverfahren zur Sicherung der Anlage „aus nicht überwindbaren Gründen“ nicht habe fortgeführt werden können. Grund dafür seien die hohen Kosten gewesen. Für den Ankauf der Fläche durch das Land Berlin und die Sicherung der Anlage durch eine Lärmschutzwand zum Blumberger Damm hin hätten laut einer Kostenschätzung rund zehn Millionen Euro investiert werden müssen.
Noch nicht geklärt ist die Frage, ob die Pächter ihre Parzellen einfach nur verlassen oder sogar beräumen müssen. Letzteres würde bedeuten, dass sie ihre Lauben bis auf das Fundament selbst abreißen und alle Bäume auf ihren Parzellen fällen müssten. Dies würde laut Lutz Tinius mindestens 6000 Euro kosten. Rechtsanwälte seien derzeit dabei, die Kündigung und alle weiteren Formalitäten zu prüfen. Adelheid Dethloff hofft darauf, zumindest noch eine finanzielle Entschädigung in Höhe des Werts der Laube und der Bepflanzung zu erhalten. Auf Nachfrage der Berliner Woche beim Bezirksverband Berlin-Marzahn der Gartenfreunde teilte deren Vorsitzender Jörg Gollnow-Jauernick lediglich mit: „Die Kündigung der Fläche, auf der sich die KGA ‚Hiltrudstraße‘ befindet, ist ein schwebendes Verfahren, und aus diesem Grund möchte ich zu dem derzeitigen Stand keine Informationen geben, die wenig Zeit später wieder anders sein könnten.“
Eine außerordentliche Kündigung, die zu einem schnelleren Verlassen der Parzellen führen würde und angedroht worden war, scheint aber vom Tisch zu sein. Dafür haben die Pächter bis Ende Februar mehrere Auflagen des Eigentümers umgesetzt. Sie haben unter anderem die Hecke zum Blumberger Damm hin deutlich heruntergeschnitten und mehrere Lamellenzäune, die als Sichtschutz dienten, abgebaut. Die letzte Saison in ihrer Kleingartenanlage wollen sich die Pächter auf keinen Fall vermiesen lassen. „Ich pflanze wieder meine Möhren und Birnen an und mache alles wie immer“, betont Lutz Tinius. Und für Adelheid Dethloff steht fest: „Ich werde bis zum letzten Tag meinen Garten genießen.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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