Im Jubiläumsjahr Fontane. 200 organisierte der Verein Ars Sacrow zusammen mit der Galeristin Friederike Sehmsdorf diese Ausstellung, die bis zum 22. September 2019 zu sehen ist
„Im Ratzenloch“ – 12 KünstlerInnen zeigen ihre Werke zu 12 Gedichten von Theodor Fontane im Schloss Sacrow

"Havelschwäne", Raum von Peer Oliver Nau | Foto: Anne Schäfer-Junker
10Bilder
  • "Havelschwäne", Raum von Peer Oliver Nau
  • Foto: Anne Schäfer-Junker
  • hochgeladen von Anne Schäfer-Junker

Fontane war nicht in Französisch Buchholz. Also suche ich seine Spuren an anderen Orten. An einem schönen Sommertag durchwandere ich nun den Park um das Schloß Sacrow bis hin zur Heilandskirche an der Havel. Es sind 3 der hölzernern „Havelschwäne“ des Holzbildhauers Peer Oliver Nau im Schloss-Park, die auf die Ausstellung im Schloß aufmerksam machen. 12 KünstlerInnen unterschiedlicher Generationen zeigen ihre Werke zu 12 Gedichten von Theodor Fontane im Schloss Sacrow.

In 12 Räumen auf Schloß Sacrow höre und sehe ich dann Kunstwerke von Karen Bertram, Rainer Ehrt, Grita Götze, Moritz Götze, Peter Herrmann, Katrin von Lehmann, Jörg Mandernach, Peer Oliver Nau, sibylle von preussen, Serkan Sarier, Anna Vonnemann, Tina Winkhaus. Mit unterschiedlichsten Materialien schaffen sie eine poetische Verbindung untereinander und zwischen Drinnen und Draußen, das Schloss und der Park werden selbst zu Ausstellungsobjekten. Die KünstlerInnen kommen aus verschiedenen Orten Deutschlands und aus New York/USA, vom Saarland über Berlin und Hamburg und arbeiten an ständig wechselnden Orten, bis zu den nördlichen Küsten Deutschlands.

Der Ort
Nach Sacrow kommt man, um das noch ganz und gar mit der historischen Aura behaftete Schloß Sacrow im großen Park an der Havel aufzusuchen. Die Nutzungsgeschichte des Hauses in Zeiten des Kalten Krieges wird in mehreren Zimmern dokumentiert. Die Reste der ehemaligen Grenzanlagen im Park des Schlosses und bspw. die Spolien am Campanile der Sacrower Heilandskirche*, die zu Zeiten der Teilung Deutschlands im Niemandsland lag, lassen einen zunächst das Wort „Ratzenloch“ für die Zeiten der Teilung Deutschlands assoziieren: ein Rattenloch. Das provoziert Fragen, denn „Schlafen wie ein Ratz“ kann hier ganz und gar nicht gemeint sein. Der Titel der Ausstellung „Im Ratzenloch“ weist in die Zeiten Fontanes, ja direkt in sein Werk.

Die KünstlerInnen
Karen Bertram lebt in Berlin und zeigt ihre Suche nach dem Zusammenspiel von Licht, Landschaft und Architektur.
Rainer Ehrt, 1960 geb., aus dem Harz, gibt ein bildkünstlerisch-typografisches Statement zu Fontanes Werk „John Maynard“.
Grita Götze, 1959 geb., lebt in Halle/Saale zeigt ihre keramischen Arbeiten mit floralen Motiven - der Garten des Herrn von Ribbeck - im Mittelpunkt der berühmte Birnbaum.
Moritz Götze, 1964 geb., lebt in Halle, dekoriert seinen Gedächtnisraum mit Fontane-Portrait und Ortsmotiv auf „German Soup“.
Peter Herrmann, 1937 geboren, lebt in Berlin und kommentiert das Gedicht „Es kann die Ehre dieser Welt“ im gemalten Bild mit: „Wer hat Fontanes Brille gesehen?“
Katrin von Lehmann, 1959 in Berlin geb., Projekte in Norwegen, Portugal und Brandenburg , fragt zu Fontanes „Ausgang“ nach der Endlichkeit des Lebens, dem Verlustempfingen und der Sehnsucht nach Leben - mit 10m-langen kreisförmigen Papierrollen, „beschrieben“ in Proxy-Zeichen-Technik.
Jörg Mandernach, 1963 geb., lebt in Ludwigsburg und kommentiert Fontanes Werk „Jockel“ mit graphischen Zeichen und Figuren – seinen Standbildern „Teufel“.
Peer Oliver Nau, 1971 in Halle geb., huldigt auf beeindruckende Weise in seinen bildhauerischen Figuren der Schönheit der Havel als Kulturstrom mit ihren dort beheimateten Schwänen. In raumgreifender Installation mit fliegenden Schwänen liest eine kesse Göre auf einem Kamin aus Fontanes Werken vor. Seine Holzwerke sind alle farbig gefasst.
sibylle von preussen, 1952 geb., lebt in Berlin, bereist Berlin und Jerusalem. Fontanes „Glaube an die Welt“ hat mit ihren sensiblen Kunstschöpfungen ‚vor dem gesellschaftlichen Hintergrund des 19. Jahrhunderts ein couragiertes Plädoyer für einen anderen Lebensinhalt, … für das Echte, das letztlich authentische Leben … gefunden’.
Serkan Sarier, 1978 geb., lebt in New York als freischaffender Künstler und kommentiert „Der Subalterne“ mit einer Portrait-Schöpfung, der „The Subaltern I“.
Anna Vonnemann, 1949 geb., Dortmund, Hamburg, Wien – lebt in Berlin. Mit großen, prallen Blumen-„Portraits“ huldigt sie der Sinnlichkeit, der Schönheit und Pracht der Pflanzen und kommentiert so Fontanes Gedicht „Im Garten“: „… ich reichte dir die Beeren, Und du reichtest mir deinen Mund. …“.
Tina Winkhaus, 1966 geb., lebt in Berlin, schafft mir ihren Film-Stills als sicht- und hörbare Rauminstallationen im stilvollen Treppenhaus am Beginn der Ausstellung einen ungeheuer subtilen Eindruck mit skurrilen und rituellen Szenen, wie aus einer Schattenwelt kommend. Ein großartiger Ausstellungs“empfang“ für alle Besucher.

Das Ratzenloch
Doch was bedeutet der Titel „Im Ratzenloch“? Meine Nachfrage im Fontane-Archiv Potsdam beim Archivar Klaus-Peter Möller klärt auf. Er verweist auf die Literaturquelle bei Fontane: ‚Nach den Tagebuchaufzeichnungen eines havelländischen Landgeistlichen’ (Fontane, Theodor, Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ost-Havelland, Berlin 1873) schreibt Klaus-Peter Möller: „der Begriff „Ratzenloch“ kommt nur an dieser Stelle im Werk Fontanes vor, auch im Briefwerk fand sich keine weitere Stelle. Die gesamte Passage ist als Zitat aus dem Tagebuch eines Landgeistlichen gekennzeichnet. Es wird also nicht zum aktiven Wortschatz Fontanes gehört haben. Das Wort erklärt sich auch nicht mit dem heute umgangssprachlichen „ratzen“ für „schlafen“, sondern leitet sich von der oberdeutschen Version „Ratz“ für „Ratte“ her, „Ratzenloch“ ist also eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung.“

Das Sommer-Museum
Es ist eine aufrüttelnde, großartige Ausstellung, die mit künstlerischen Mitteln gewaltige Gedankenströme und Empfindungen bei den Besuchern auslösen dürfte. Mir jedenfalls geschah dies im diesjährigen Sommer-Museum des Ars Sacrow e. V. Schönheit und bittere Geschichte - schwebend leicht, märkisch derb und zeitgeschichtlich bewegend – was für eine Melancholie!

Der Park, das Schloss, die Heilandskirche, das „Dörflein“
Der Schlosspark im heutigen UNESCO-Welterbe gelegen, geht auf den Grafen Hordt und seine Gemahlin, Gräfin Wachtmeister zurück. Theodor Fontane zitiert aus den Tagebuchaufzeichnungen eines havelländischen Landgeistlichen: „Beim Ende des Krieges 1779 verzürnte er (Graf Hordt) sich mit dem König (Friedrich II.), nahm seinen Abschied, wohnte zu Berlin und verkaufte Sacrow an den Baron von Fouqué, Sohn des berühmten Generals.
Man muß dem Grafen Hordt die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er das elende Sacrow umgeschaffen hat. Das schöne Wohnhaus, der ganze Plan des Gehöftes, des Gartens und des Dörfleins, alles kommt von ihm her. Wenn ich Sacrow jetzt mit dem von 1750 vergleiche, so kann ich sagen, Sacrow war damals ein Ratzenloch. Hordt kaufte es, wie man sagt, für 15 000 Taler, baute stark, erholte sich in der Heide und verkaufte es an Fouqué für 23 000 Taler, doch inclusive vielen Meublements. Der Gräfin Zimmer blieb in statu quo. Der Graf, wenn er in Sacrow war, lebte sehr eingezogen. In meinen Jahren habe ich keine fremde Seele bei ihm getroffen. Er mochte es nicht überflüssig haben. Gegen mich hat er sich geizig betragen. Nichts von Generosität habe ich von ihm aufzuweisen. Der Schreiber Lüdicke war sein Herz und Werkzeug, tätig und wirtschaftlich, übrigens falsch wie eine Schlange und dumm wie ein Schöps.“

Anne Schäfer-Junker, Berlin (anne.junker@gmx.de )

* https://de.wikipedia.org/wiki/Heilandskirche_am_Port_von_Sacrow

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 36× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 198× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 176× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 34× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 240× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 609× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.