Mein Lieblingsort ist der der Renée-Sintenis-Platz mit dem Fohlen

Um zum Grasen mit dem Maul zum Boden zu gelangen, spreizt das Tier staksig seine Vorderläufe nach vorne und hinten. | Foto: KEN
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  • Um zum Grasen mit dem Maul zum Boden zu gelangen, spreizt das Tier staksig seine Vorderläufe nach vorne und hinten.
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Ein schöner Platz; schön wegen seiner harmonischen städtebaulichen Figur aus lateinischem Kreuz, das die vier von ihm ausgehenden Straßen bilden, und dem Kreis in der Mitte; schön aber – und deshalb auch einer meiner Lieblingsplätze – vor allem wegen einer Bronzeplastik.

Etwas abseits auf dem Rund steht nämlich ein junges Pferd. Das Fohlen ist zierlich. Seinen schmalen Kopf beugt es seitlich nach links. Um zum Grasen mit dem Maul zum Boden zu gelangen, spreizt das Tier staksig seine Vorderläufe nach vorne und hinten. Die fest aufgesetzten Hinterbeine verhindern ein Umfallen. Das Hinterteil ist keck in die Höhe gerichtet. Der noch kurze buschige Schweif bewegt sich – im Geist des Betrachters – nervös hin und her. Von höchster Aufmerksamkeit künden die geblähten Nüstern, die gespitzten Ohren und die weit geöffneten Augen.

Wie in einer Zeitkapsel geborgen wirkt das „Große grasende Fohlen“ der Bildhauerin Renée Sintenis, die dem Platz seit dem 1. April 1970 seinen Namen gibt. Bis dahin hieß die 1872 geschaffene Fläche Wilmersdorfer Platz. Sie ist Teil der Friedenauer Straßenanlage, der sogenannten Carstenn-Figur.

Alte Häuser blicken auf das kleine Fohlen herab, vorneweg das eindrucksvolle ehemalige Kaiserliche Postamt, in dem noch heute Briefmarken verkauft werden. Im Oktober 1918 wurde es eröffnet. An seiner Stelle war ursprünglich der Bau des Friedenauer Rathauses geplant.

Es war im Jahr nach der Postamtseröffnung, als die aus einer Hugenottenfamilie stammende Renate Alice Sintenis (1888-1965), die sich den Künstlernamen Renée Sintenis gab, eine kleine Vorgängerversion des Fohlens anfertigte. Eine Dekade später, 1929, wandelte sie die Form leicht ab und schuf das große grasende Fohlen.

Die Naturbeobachtungen der Künstlerin sind stets genau. Unter ihren Händen – Renée Sintenis ist mehr Plastikerin denn Bildhauerin, die mit Hammer und Meißel mühselig etwas aus dem Stein herausholt – entsteht ein Anmut und Ruhe ausstrahlendes Pferdchen. Es vermittelt gelöste Heiterkeit und Jugendlichkeit. Man möchte es streicheln und sich wünschen, es werde lebendig. Welches Glück geradezu, dass dieser Abguss auf dem Platz steht, einer von zweien im öffentlichen Raum.

Renée Sintenis, Freundin von Rilke und Ringelnatz, Schöpferin des Berliner Bären, Mitglied der Berliner Secession und der Akademie der Künste Berlin, bis sie wegen ihrer jüdischen Mutter Elisabeth Margarethe,geborene Friedländer, von den Nazis verjagt wurde, lagen die Tiere sehr am Herzen. Der überwiegende Teil ihres Werks besteht aus Pferden, Eseln, Elefanten und Hunden.

Rund 125 Tierbronzen hat Renée Sintenis geschaffen. Annähernd die Hälfte stellen Pferde und Ponys dar. Am meisten faszinierten die Künstlerin Fohlen. „Im eigentlichen Sinne des Wortes lebt in meinem Herzen vor allem anderen eine beinahe abgöttische Liebe und Anbetung für Pferde. Diese Verehrung in mir scheint mir immer von neuem als von geheimnisvoller Bedeutung erfüllt. Mit meinem Verstande kann ich das nicht erklären, fast möchte ich sagen, daß es eine metaphysische Angelegenheit sei“, wird die Künstlerin im Ausstellungskatalog des Georg-Kolbe-Museums aus dem Jahr 1983 zitiert.

Um zum Grasen mit dem Maul zum Boden zu gelangen, spreizt das Tier staksig seine Vorderläufe nach vorne und hinten. | Foto: KEN
Das Hinterteil ist keck in die Höhe gerichtet. Der noch kurze buschige Schweif bewegt sich nervös hin und her. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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