Blaue Briefe im Weiten Blick : Drei Siedler gekündigt / Bezirksamt soll B-Plan erarbeiten

Vereint im Protest: Jürgen Kessling mit Michaela Grotzke, Hannelore Nauland und Ingrid Herwick. | Foto: Ulrike Kiefert
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Gatow. In der Wochenendsiedlung „Weiter Blick“ macht sich Unruhe breit. Große Pläne gibt es mit dem landeseigenen Grundstück zwar schon länger. Jetzt aber wurden überraschend drei Siedler gekündigt.

Am Gatower Windmühlenberg müssen sich die Siedler wieder um ihre Gärten sorgen. Denn in der Wochenendhaussiedlung „Weiter Blick“ am südwestlichen Hang des Windmühlenbergs sind drei Mieterinnen zum Jahresende von der Liegenschaftsverwaltung gekündigt worden: Hannelore Nauland, Michaela Grotzke und Ingrid Herwick. Alle drei haben an der Straße Weiter Blick seit mehr als 20 Jahren ein Wochenendhaus, Ingrid Herwick sogar seit 34 Jahren.

Von den insgesamt 36 Grundstücken in der Siedlung stehen 20 leer. Zwei Mieter haben zum Jahresende selbst gekündigt, darunter einer mit Dauerwohnrecht. Die übrigen 14 Grundstücke werden von zwölf Wochenendsiedlern genutzt, von denen einer dauerhaft auf der Parzelle wohnt.

Erster Bebauungsentwurf lag 1997 vor

Mit ein Grund für den hohen Leerstand dürfte sein, dass es für den idyllischen Flecken seit langem Wohnbebauungspläne gibt. Schon 1997 lag ein erster Entwurf für einen B-Plan vor. Zuletzt hatte der Bezirk 2013 Großes mit dem landeseigenen Gelände vor. Nach dem Vorbild der Gatower Kolonie Havelblick, die in den 1990er-Jahren zur Eigenheimsiedlung wurde, sollten dort die „Neue Wohnhöfe Gatow“ entstehen. Einen Investor für die 100 geplanten Wohneinheiten gab es schon, doch das Projekt blieb liegen – auch weil die Grundstücke nicht frei waren.

Nun aber werden die Pläne wieder aus der Schublade geholt. Denn die Bezirksverordneten haben auf ihrer September-Sitzung mehrheitlich einem Antrag der FDP zugestimmt. Der fordert das Bezirksamt auf, die Pläne weiter zu betreiben und die Gespräche mit den potenziellen Investoren wieder aufzunehmen. Das soll „dringend benötigten Wohnraum und sozialverträgliche Wohnungen nach dem Berliner Modell schaffen“, erklärt die FDP.

Im Juli hatte bereits der Stadtentwicklungsausschuss diesen Antrag einstimmig befürwortet. Von beabsichtigten Kündigungen war da laut Sitzungsprotokoll noch nicht die Rede, obwohl die Liegenschaftsverwaltung Hannelore Nauland schon Mitte Januar angekündigt hatte, das Mietverhältnis auf eine Kündigung hin prüfen zu wollen.

Es gibt wohl keinen Sozialplan

In der BVV-Sitzung Ende September erklärte der zuständige Stadtrat für Facility Management, Andreas Otti (AfD) dann, dass allen drei Mieterinnen fristgerecht gekündigt worden sei und zwar wegen Verstößen gegen die Mietverträge, nicht aber wegen einer möglichen Bebauung. Die CDU-Fraktion hatte nachgefragt, und wollte außerdem wissen, ob im Rahmen der Kündigungen ein Sozialplan festgelegt wird. Der könnte beispielsweise einen Flächentausch vorsehen. Die Frage beantwortete Otti mit „Nein“. Die Vermutung der CDU, dass es „für einen potentiellen Investor attraktiver ist, wenn die Grundstücke durch das Bezirksamt vorab gekündigt und geräumt werden“, wollte der Stadtrat nicht abschließend beurteilen.

Laut Baustadtrat Frank Bewig (CDU) gibt es zwar viele Interessenten für das Wochenend-Areal, konkret sei das Bezirksamt aber noch mit keinem im Gespräch. Auch seien viele Fragen noch offen, etwa die Erschließung oder welche Art der Wohnbebauung sinnvoll ist. Das alles muss der B-Plan klären, zu dem das Bezirksamt mit dem BVV-Beschluss jetzt aufgefordert ist. Ist ein potenzieller Investor gefunden, muss das Landes-Grundstück auch erst noch über die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verkauft werden, denn das Bezirksamt ist nur der Verwalter.

Stadtrat lehnt das Gespräch mit Jürgen Kessling ab

Es dauert also noch, bis die ersten Bagger anrollen. Weshalb Hannelore Nauland, Michaela Grotzke und Ingrid Herwick die Eile nicht verstehen. Denn ihre angeblichen Verstöße gegen die Mietverträge weisen die drei Frauen zurück und können das nach eigener Aussage auch beweisen. Wurden sie also doch wegen einer möglichen Bebauung gekündigt? Und warum dann nicht ihre Nachbarn gleich mit? Das fragt sich auch Jürgen Kessling, Chef der Wählerinitiative soziales Spandau (WisS). „Die Mieterinnen wussten zwar, dass Kündigungen hier irgendwann anstehen. Aber man muss sie nicht unnötig und vorzeitig von ihren Grundstücken werfen“, ärgert sich Kessling. Im Auftrag der Betroffenen hat er deshalb Stadtrat Otti um ein Gespräch gebeten. Das wurde abgelehnt. Am Weiten Blick rechnen Kessling und die Mieterinnen mit weiteren Kündigungen. Die kämen dann im nächsten Jahr. Denn die Mietverträge sind jeden September ohne Angabe von Gründen zum Jahresende kündbar. uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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