Die geneigte Mülltonne: Haselhorst hat das erste barrierefreie Entsorgungs-System

Auch Bürgermeister Helmut Kleebank (links) und der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz (rechts) schauten beim Start des Pilotprojekts vorbei, in der Mitte: Produktdesignerin Evelyn Malinowska. | Foto: Berit Müller
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Haselhorst. Wie lässt sich eine wackelige Abfalltonne vom Rollstuhl aus öffnen? In welche Hand kommt die Mülltüte, wenn die eine den Rollator und die andere den Tonnendeckel halten muss? In der Gartenfelder Straße 54 gehören solche Fragen der Vergangenheit an. Möglich macht’s die erste barrierefreie Mülltonne.

Schwarz neben blau, orange und grün reihen sich die Tonnen zwar aneinander, wie es sich für einen ordentlichen Hausmüllplatz gehört – irgendwas stimmt trotzdem nicht an dem Bild. Ein zweiter Blick bringt die Erkenntnis: Die Abfallbehälter stehen ja schief! Sie balancieren vielmehr auf der Kante und drohen jeden Moment nach vorn umzukippen. Was sie entgegen dem Gesetz der Schwerkraft nicht tun. Wie geht denn sowas? „Arc 32“ oder „Tonne im Gestell“ heißt die Lösung. Die ist ein Modellprojekt für ein Leben ohne Hindernisse, das die Berliner Stadtreinigung (BSR) gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag gestartet hat.

Ausgeklügelt hat’s die junge Produktdesignerin Evelyn Malinowska. Sie entwickelte die deutschlandweit erste barrierefreie 240-Liter-Mülltonne – und zwar schon während ihres Diplompraktikums bei der BSR. Wie kommt eine Design-Studentin der Weißenseer Kunsthochschule dazu, sich mit einem solchen Thema zu beschäftigen? „Das war nicht zufällig“, sagt Evelyn Malinowska. „Im Jahr 2013 rückte der demografische Wandel immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Ein Projekt dazu umzusetzen, fand ich spannend. Ich habe von Anfang an eng mit Menschen aus der Zielgruppe zusammengearbeitet – und Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte und Senioren nach ihren Problemen oder Wünschen befragt. Die Interviews gaben dann die Richtung vor.“

Das Prinzip der „Tonne im Gestell“ ist so einfach wie genial: Die Abfallbehälter neigen sich den Nutzern quasi entgegen; um genau 32 Grad angekippt – daher auch der Zweitname Arc 32 – reduziert sich die Deckelhöhe auf etwa 80 Zentimeter, so ist die Luke für Rollstuhlfahrer gut erreichbar. Die geneigte Tonne schafft zudem im unteren Bereich einen Freiraum – sehr praktisch für Menschen im Rollstuhl oder Rollator, die nun viel näher an die Öffnung herankommen. Der größte Clou: Die Deckel lassen sich ohne jeden Kraftaufwand nach hinten schieben, und sie verharren dort. So bleibt die Hand frei fürs Einwerfen der Mülltüten. Anschließend genügt ein kurzes Ziehen, dann kriecht die Haube von allein zurück. Ein simpler Stahlrahmen hält die Tonnen in der Schräge. Gebaut wurden die Prototypen des Gestells in der BSR-Werkstatt. Die Stadtreinigung sucht derzeit nach einem Partner, für den Fall, dass das System nach der einjährigen Pilotphase in Serie geht. BSR-Vorstand Werner Kehren kann sich das gut vorstellen. „Für uns zählt das zur Kundenorientierung, mit dem Arc 32 nehmen wir das Thema Barrierefreiheit in Angriff.“

In den rund 290 Gewobag-Wohnungen an der Gartenfelder Straße in Haselhorst leben 700 Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen sind älter als 65 Jahre. „Wir möchten unseren Mietern in jeder Lebensphase ein passendes Zuhause bieten“, sagt Snezana Michaelis vom Gewobag-Vorstand. „Deshalb entwickeln wir innovative Konzepte für ein Wohnen ohne Hindernisse. Ich bin gespannt, wie Arc 32 bei den Nachbarn ankommt.“

Evelyn Malinowska verdankt ihrer „Tonne im Gestell“ nicht nur ein Einser-Diplom, sondern auch einen Arbeitsvertrag. Als Produktdesignerin ist sie jetzt fest im BSR-Ideenlabor beschäftigt und tüftelt dort bereits weitere Projekte aus. „Ich habe etliche Ideen, auch zur Barrierefreiheit“, verspricht die junge Designerin. Schließlich sei da noch die große 660-Liter-Tonne, der könne ein wenig mehr Handlichkeit auch nicht schaden. bm

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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