Aufruf zur Auseinandersetzung
Anwohnerinitiative vom Paulinenplatz reagiert auf wiederholtes Besprühen des „Kadettensteins“
Erneut wurde Mitte Februar der „Kadettenstein“ auf dem Paulinenplatz mit schwarzer Farbe beschmiert. Die Nachbarschaftsinitiative „Paulinenplatz“, die den kleinen Platz neugestaltet hat und ehrenamtlich pflegt, reagierte jetzt auf ungewöhnliche Weise.
Die Initiative stellte ein gelbes Schild vor den Gedenkstein, auf dem sie den unbekannten Sprayern, die sich mit ihrem Signet, ein umkreistes großes A, als Anarchisten zu erkennen gaben, anspricht. „Liebe Anarchos, Geschichte kann man nicht wegsprühen. Man muss sich mit ihr auseinandersetzen“, fordern die Anwohner.
Der Kadettenstein ist ein zweimal zwei Meter großer Granit-Koloss und steht seit 1980 auf dem Paulinenplatz. Er soll an die Königlich-Preußische Hauptkadettenanstalt erinnern, die sich von 1878 bis 1920 auf dem Gelände des heutigen Bundesarchivs in der Finckensteinallee befand. Errichtet wurde er von den letzten lebenden Absolventen dieser militärischen Drillanstalt, die das „Versailler Diktat“ statt die schuldhafte Kriegspolitik des Kaiserreichs für die Schließung ihrer Schule verantwortlich machten und damit zeigten, dass sie aus der Geschichte wenig gelernt hatten.
Jahrzehntelang stand der Kadettenstein unbeachtet an seinem Platz, verborgen von dichtem Gestrüpp und verdorrten Hecken. Erst seit die Nachbarschaftsinitiative den Paulinenplatz als offenen und schmucken Blumengarten hergerichtet hat, wird er verstärkt wahrgenommen und somit vermehrt zum Ziel von Farbattacken.
„Es ist nur zu verständlich, dass dieser Stein Anstoß erregt“, sagt Michael Schroeren von der Initiative. „Auch wir halten die martialische Botschaft und den Geist, mit dem er aufgestellt wurde, für verfehlt. Eine Kranzabwurfstelle zur Würdigung preußischer Tugenden wie Untertanengeist und Kadavergehorsam braucht niemand, denn sie passt nicht zum Anspruch einer demokratischen Bürgergesellschaft“, erklärt Schoeren.
Aber er sagt auch, dass der Koloss nun mal hier stehe – tonnenschwer und unübersehbar. „Wir werden ihn nicht los, ebenso wenig wie die Geschichte, die er verkörpert.“ Daher hätten die Anwohner beschlossen, sich mit ihm abzufinden und ihm sogar einen positiven Sinn abzugewinnen: Als Aufforderung zur Auseinandersetzung mit dieser Geschichte und als Mahnung, dass der Ungeist und die Untugenden, die den Weg in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gebahnt haben, endgültig der Vergangenheit angehören müssen. „Es ist schade, dass manche Leute glauben, sie könnten diese Geschichte bewältigen, indem sie versuchen, sie mit Farbe zu übertünchen. Wenn’s nur so einfach wäre“, sagt Schroeren.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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