Gedenktafel am Haus von Marcel Reich-Ranicki eingeweiht

Rund ein Jahr nach Tod des Literaturkritikers enthüllte Klaus Wowereit mit der Familie Reich-Ranickis und Stiftern diese Gedenktafel. | Foto: Schubert
  • Rund ein Jahr nach Tod des Literaturkritikers enthüllte Klaus Wowereit mit der Familie Reich-Ranickis und Stiftern diese Gedenktafel.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. Geehrt vom Regierenden Bürgermeister, der Familie und alten Freunden: Marcel Reich-Ranickis Wohnhaus in der Güntzelstraße 53 ist jetzt als solches erkennbar. Bis zur Deportation verbrachte der Kritiker in Berlin durchaus angenehme Jugendjahre und erlebte seine erste Liebschaft.

Im dritten Stock, wo am Balkongeländer die Blumen nicken, da muss es geschehen sein. Da trafen sich die Lippen des jungen Marcel-Reich-Ranicki mit denen einer jungen Frau. Es sind längst nicht nur Erinnerungen, die der spätere Literaturkritiker mit ins Warschauer Ghetto nahm. Was ihm in der Güntzelstraße 53, wo die Stolpersteine seiner Eltern frisch im Pflaster stecken, alles widerfuhr, steht in seiner Biographie "Mein Leben" geschrieben. Und was dort noch fehlt, das ergänzten nun sein alter Weggefährte Hellmuth Karasek und Professor Andrew Ranicki, mit der Familie aus Edinburgh angereist anlässlich der Gedenktafeleinweihung zu Ehren seines Vaters.

"Das war gar nicht so schlecht", soll Marcel seinen ersten Kuss eine Etage über der elterlichen Wohnung beschrieben haben. Aber das sagte er nicht seinem Sohn Andrew, sondern dem kürzlich verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher bei einem gemeinsamen Berlin-Besuch in den 90ern. Von 1934 bis 1938 war Reich-Ranicki im zweiten Stock des Hauses heimisch und ging auch in der Nähe zur Schule. Gemessen am Zeitgeist ging es dort nach Kenntnissen Hellmuth Karaseks recht "idyllisch" zu. Drei Deutschlehrer sollen den junge Marcel beurteilt haben: einer konservativ, einer liberal und der dritte "ein strammer Nazi". Von den ersten beiden gab es eine Eins, vom letzteren eine Zwei. "Sehr gut - das konnte man einem Nicht-Arier damals nicht geben", ließ Karasek die Gäste wissen. Während Juden im Rest des Landes schon um Leib und Leben bangen mussten, gewann Reich-Ranicki von Berlin das Bild einer "toleranten Stadt".

Ein Attribut, das der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Hier und Jetzt gegen aufkeimenden Antisemitismus verteidigen möchte. Dass inzwischen wieder zahlreiche Juden in Berlin leben, wertet er als "einen Vertrauensbeweis in die Toleranz und Akzeptanz unserer Stadt. Wir werden diese Vielfalt verteidigen."

Und so schritten Karasek, der Regierende und der Professor vor den Augen von über 100 Schaulustigen zur Tat, zupften an einer Kordel und enthüllten so die Gedenktafel an der Hausfassade. "Ich kann nicht anders. Ich muss nörgeln", pflegte sich der Kritiker zu erklären. Aber diese kleine Feierstunde mit Ernst und Witz - sie hätte vor seinem Urteil wohl bestand gehabt.

Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 831× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 820× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 514× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.010× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.901× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.