Handwerk vor Ort
Eine Maßschneiderin unter vielen Änderungsschneidern

Larisa Idt in ihrem Atelier
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„Es gibt bei uns eine Tradition, die sagt, daß es Glück bringt, wenn man ein Geschäft neu eröffnet und ein Mann der erste Kunde ist“, erzählt Larisa Idt. Und genau das ist ihr vor fünfeinhalb Jahren passiert. „Tatsächlich kam als erstes ein Mann. Seine Katze war ganz neu bei ihm und fühlte sich noch verloren, und da hatte sie in ihrem Unglück Triangeln ins Bettzeug gerissen.“
„Bei uns“ – das war Charkow in der Ukraine (damals noch eine Republik der Sowjetunion), wo Larisa Idt aufwuchs und in die Schneiderlehre ging. Von Kindheit an hatte es ihr Spaß gemacht, mit Stoff zu hantieren – zuerst waren es Kleider für ihre Puppen, dann für die Verwandten, bevor sie die Schneiderei zu ihrem Beruf machte. Jetzt arbeitet sie 28 Jahre als Schneiderin.
Aus familiären Gründen kam sie vor 17 Jahren über Friedland hierher. Zunächst hatte sie eine Anstellung im renommierten Schneideratelier von Laila Laouva. „Ich wollte dann selbständig werden und hatte mir verschiedene Räumlichkeiten angeschaut. Hier an der Ecke zur Wilhelmsaue mit dem Park in der Nähe gefiel es mir sehr, und ich hatte Glück, in diesen früheren Antiquitätenladen einziehen zu können.“ Und wie erklärt sich der Name des Geschäfts: „Lara M.“? „In meinem Paß steht, wie es damals vorgeschrieben war, Larisa, aber von meiner Familie und meinen Freunden werde ich Lara gerufen. Und das M. ist der Anfangsbuchstabe meines Vaternamens.“ Die Bezeichnung Schneideratelier schließlich darf nur eine Maßschneiderin* benutzen; alle anderen ohne Ausbildung sind Änderungsschneider.

Das tägliche Geschäft

Jener erste Kunde blieb nicht der einzige Mann. Andere kommen, um etwas reparieren oder passend machen zu lassen, aber auch zur Anfertigung eines Kleidungsstückes, einer Hose, Weste oder eines Sakkos. „Etwa 30 Prozent meiner Arbeit ist Maßschneiderei. Dazu gehört auch die Schnitterstellung nach meinen eigenen Entwürfen oder nach Ideen der Kundin. Außerdem fertige ich die Erstmodelle für die Kleinkollektion einer hiesigen Firma an.“ Kundenberatung spielt eine wichtige Rolle im täglichen Geschäft: „Was kann man aus diesem Stück Stoff machen? Welcher Schnitt ist modern? Kann man dies hier modifizieren? Steht mir das, oder lieber ändern? Wie wird es gereinigt? Kundinnen, die zu Hause selbst an der Nähmaschine sitzen, holen sich von mir Empfehlungen, ob der Stoff für ihren Zweck geeignet ist und wie sie ihn am besten zuschneiden, welches Garn das richtige ist und auf welche Nahtabstände sie achten müssen.“ Wenn ein Kleidungsstück ‚modifiziert‘ wird, wird es der veränderten Körperform oder dem veränderten Modegeschmack angepaßt.

Das Atelier

Im ersten Jahr arbeitete Larisa Idt allein in ihrem Geschäft. „Ich mußte erst einmal sehen, wie es sich entwickelt. Nach einem Jahr konnte ich eine Näherin einstellen, dann nach einem weiteren Jahr eine weitere. Jetzt habe ich drei Angestellte und eine Empfangsdame mit Schneiderfachausbildung.“ Was ihre Arbeitsgeräte betrifft, so gibt es neben dem Maßband und dem Abpustegerät vor allem eine große Anzahl von Nähmaschinen: Da sind außer der Standardmaschine für Steppnähte vor allem spezielle für Kettelnähte, für Blindstiche, die man auf der Stoffaußenseite nicht sehen kann, für dicke Stoffe und Leder, für Knopflöcher, vier- und fünffädige Maschinen für den elastischen Jerseystich und schließlich eine für Pelz. Dazu kommen ein großer Arbeitstisch zum Zuschneiden, eine Bügelstation und Unmengen an kleinen und großen Garnspulen in den verschiedensten Farben – insgesamt ein beeindruckender Anblick für einen auf gelegentliches Stopfen beschränkten Menschen.

Nah am Kunden

„Zweimal die Woche gehe ich das einkaufen, was sich aus Aufträgen ergeben hat: genau passende Reißverschlüsse oder Garn in einer speziellen Farbe oder ein Stoffstück, das für eine Ausbesserung benötigt wird. Denn ich empfehle meinen Kunden, liebgewonnene Kleidungsstücke doch reparieren zu lassen statt sie wegzuwerfen und durch neue zu ersetzen, auch aus umweltfreundlichen Gesichtspunkten.“ Das bedeutet dann, durchgewetzte Kragen oder Manschetten zu wenden oder zu ersetzen und löchrige Ellbogen mit einem passenden Stück Material auszubessern. Auf Wunsch von Kunden finden auch Hausbesuche statt, um zu beraten oder abzustecken und das fertige Kleidungsstück zu liefern.

* Lara M. Schneideratelier, Mehlitzstraße 6,  Email: schneiderei.larisa@hotmail.com

Bearbeitete Fassung eines Berichts, der zuerst im Heft Februar/März 2021 von KiezWilmersdorf erschienen ist.

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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