Nazigrößen und stille Helden
Neues Buch über die Villenkolonie Zehlendorf-West erschienen

Blick auf den Mexikoplatz. | Foto: Heimatverein Zehlendorf
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Bücher über die Villenkolonien in Dahlem, Schlachtensee und Nikolassee gibt es bereits, jetzt ist der vierte Band der Reihe erschienen. Der Titel: „Zehlendorf-West - Häuser und Bewohner der Villenkolonie.“

Initiator, Autor und Herausgeber der Buchreihe ist der 2017 verstorbene Regionalforscher Henning Schröder. Den aktuellen Band, den er gemeinsam mit dem Historiker Wolfgang Ellerbrock erarbeiten wollte, konnte er nicht mehr beenden. Diese Aufgabe hat Ellerbrock übernommen, der auch schon am dritten Band beteiligt war. „Ich hatte mir vorgenommen, das Buch nach meiner Pensionierung im Februar 2019 fertigzustellen und auch im Namen Henning Schröders herauszugeben.“

In „Zehlendorf-West“ werden Häuser und Bewohner der Villenkolonie aus der Zeit von 1905 bis 1943 vorgestellt. Die Kolonie entstand ab 1904 durch die Zehlendorf-West Terrain AG. Da die S-Bahn eine schnelle Verbindung nach Berlin bot, ging die Bebauung der Grundstücke zügig voran. Das neue Wohngebiet war als Heimat attraktiv und zog Künstler, Architekten, Unternehmer und Politiker an, die im Buch vorgestellt werden.

Jüdische Mitbürger ausgegrenzt

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden jüdische Mitbürger und Andersdenkende ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. „Sie finden im Buche ebenso Platz wie die stillen Helden, die ihren Nachbarn halfen“, schreibt Wolfgang Ellerbrock. Einer der Nazi-Größen, Walter Helfenstein, wohnte im Urselweg 15. Er war Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Schlachtensee und ab 1934 Bürgermeister von Zehlendorf. Auf bezirklicher Ebene war er für die Vertreibung von politisch missliebigen und jüdischen Mitarbeitern verantwortlich.

Zu den Menschen, die dem NS-Regime zum Opfer fielen, gehörte Margarethe Wolff, die bei ihrem Bruder in der Lindenthaler Allee 32 wohnte. Sie wurde im März 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Ihr Bruder emigrierte bereits 1939 nach England. Auch die Familie Fuchs aus der Argentinischen Allee 4 kam in Konzentrationslagern ums Leben. Die Grundstücke aller jüdischen Emigranten und Juden, die deportiert wurden, fielen nach einer Verordnung von 1941 an das Deutsche Reich.

Stolpersteine zur Erinnerung verlegt

In der Bogotastraße 1 wohnte Elfriede Hengstenberg, Gymnastiklehrerin, und eine der stillen Heldinnen. Sie entwickelte ein ganzheitliches Bewegungskonzept für Kinder, die sie auch privat unterrichtete. Eines Tages im Jahr 1935 stand der Chemiker Dr. Felix Bobek, als Jude und KPD-Mitglied vom Leuchtmittel-Hersteller Osram entlassen, vor ihrer Tür. Hengstenberg kleidete ihn neu ein, und Gertrud Kaulitz, eine weitere stille Heldin aus dem Eiderstedter Weg 33, verhalf ihm zur Flucht. Bobek wurde Wochen später jedoch verhaftet, zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet.

Auch die in Zehlendorf-West verlegten Stolpersteine wurden im Buch aufgelistet. Sie erinnern an Nachbarn, die deportiert und von den Nazis ermordet wurden.

Zehlendorf-West, Häuser und Bewohner der Villenkolonie, Dr. Wolfgang Ellerbrock, Henning Schröder, 240 Seiten, ISBN-13: 9783946424239, Bestellnummer: 9540201, 21,50 Euro

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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