„Ich glaube, jetzt alles schaffen zu können“
Celine Gürkan hat bei einer Gastfamilie in den USA gelebt / Abgeordneter vergibt neues Stipendium

Celine Gürkan hat sich ein Jahr von ihrer Schule beurlauben lassen und steigt nach den Ferien wieder in die elfte Klasse ein. | Foto: Schilp
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  • Celine Gürkan hat sich ein Jahr von ihrer Schule beurlauben lassen und steigt nach den Ferien wieder in die elfte Klasse ein.
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Der Neuköllner SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu vergibt wieder ein USA-Stipendium. Die 17-jährige Buckowerin Celine Gürkan hat es im vergangenen Jahr gewonnen. Nach zehneinhalb Monaten in den Vereinigen Staaten ist sie vor Kurzem wieder in Berlin gelandet.

Auf die Idee, sich zu bewerben, kam Mutter Kibar, als sie in der Zeitung von dem Angebot las. „Das ist genau das Richtige für Celine“, dachte sie. Schließlich hatte sie selbst vor vielen Jahren tolle Erfahrungen während eines England-Auslandsaufenthalts gemacht. Die Tochter war einverstanden. Sie bewarb sich. Nach Vorgesprächen folgte schnell das Treffen mit Felgentreu. Er entschied sich für sie.

Also suchte der betreuende Verein Experiment nach einer passenden Familie. Celine landete in Raleigh, der Hauptstadt von North-Carolina. „Ich hatte eine Gastschwester, nur ein halbes Jahr älter als ich. Und meine Gasteltern waren so liberal, wie ich gehofft hatte. Das ist nicht selbstverständlich, gerade in den Südstaaten“, so Celine. Einige Austauschschüler trafen es weniger gut, manche wechselten ihre Familien. Nicht ideal, aber kein Beinbruch. „Wir hatten immer Kontakt mit Koordinatoren vor Ort. Die passen schon auf, dass alles so läuft, wie es laufen soll.“

In der örtlichen High School warteten Überraschungen auf die Buckowerin. Allein die Größe: das Gelände riesig, weite Wege, 3000 Schüler. Dazu kam ein anstrengender Zeitplan. Täglich vier Unterrichtseinheiten à anderthalb Stunden. Sechs Minuten, um von einem Raum zum anderen zu kommen.

Angst vor Amokläufen

Szenen, die jeder sofort vor Augen hat, wenn er „High School“ hört: Jugendliche unterhalten sich locker auf dem Flur und räumen dabei ihre Schränke aus. Doch Fehlanzeige. „Weder gab es Schließfächer, noch war ein längerer Aufenthalt in den Korridoren erlaubt.“ Auch nach draußen durfte niemand, die Türen waren sogar während der vierzigminütigen Lunchpause abgesperrt. „Da bleibt nur die Cafeteria“, sagt Celine. Grund dafür sei die Angst vor Anschlägen und Amokläufen. „Du braucht einen Ausweis, um das Schulgelände zu betreten oder zu verlassen. Selbst wenn du auf die Toilette willst, musst du einen ,hall pass’ haben, damit der Aufsichtsführende Bescheid weiß.“

Auch der Unterricht lief anders als gewohnt. „Manche Lehrer stehen vorne, erzählen etwas, während die Schüler über Kopfhörer Musik hören oder auf dem Smartphone spielen“, erzählt Celine. Den Lehrinhalt würden sie dann zu Hause per Internet abrufen – oder auch nicht. Klassengemeinschaften in unserem Sinne gebe es nicht, nur Kurse. So sei es relativ schwer, Kontakte zu knüpfen. Wären da nicht die vielen Arbeitsgemeinschaften: Sport, Theater, Technik, Literatur, Tanz, und, und, und. „Dort fühlt man dann tatsächlich etwas vom ,school spirit‘, besonders beim Sport wird gefeiert“, so Celine. In den AGs habe sie Freunde gefunden. Ohne Selbstüberwindung ging es allerdings nicht. „Ich musste sehr offen sein, aus meiner Komfortzone rauskommen und Leute ansprechen.
Über die Freizeitgestaltung sagt die 17-Jährige: „Eins ist klar, in Berlin habe ich viel mehr Freiheit.“ Mal eben in den Bus steigen und jemanden besuchen, war nicht möglich. Der Öffentliche Nahverkehr ist gleich null, Fahrradfahren gilt zu Recht als gefährlich, in der Innenstadt war meistens wenig los, trotz rund einer Million Einwohner. „Ich musste meine Gasteltern fragen, ob sie mich fahren, und die Wege sind lang.“ Also sei sie viel zu Hause geblieben, habe dort aber eine wirklich gute Zeit gehabt.

Lebendige Klischees

Stimmen die Klischees über die USA? Einige schon, sagt Celine. Eine Haltung auf die sie öfter gestoßen sei, beschreibt sie so: „Amerika ist Amerika, links und rechts Ozean, was soll man da im Ausland?“ Gepaart damit waren Fragen wie: Essen die Deutschen Hunde? Gibt es Katzen? Ist Europa eure Hauptstadt? Sprecht ihr Schottisch? „In den USA ist Geographie kein Pflichtfach, sollte es aber sein“, ist Celines Fazit. Nicht erwartet habe sie, dass die Hautfarbe immer noch eine große Rolle spiele. Vor allem gegen Afroamerikaner und Latinos gebe es Vorurteile. „Dabei war die High School durchaus multikulti, viele hatten zum Beispiel indische oder pakistanische Wurzeln.“

Am meisten vermisst habe sie deutsches Brot. Das sei übrigens allen Austauschschülern so gegangen. „Und gesundes Essen ist teuer. Ein dunkles Brot kostet achteinhalb Dollar, zwei Mozzarella-Kugeln noch mehr.“ Aber in North-Carolina gebe es glücklicherweise viel Abwechslung in der Küche, von Mexikanischem über Okras bis hin zu Maiskroketten.

Celine möchte die gemachten Erfahrungen auf gar keinen Fall missen. Sie habe jetzt eine zweite Familie in den Staaten, sei selbstbewusster geworden und stolz auf sich – nach fast einem Jahr ohne Familie und Freunde. „Nach so langer Zeit im Ausland verändert sich die Perspektive, du denkst viel nach, beginnst, die Dinge anders zu schätzen, die Rechte und Möglichkeiten, die du hast. Ich habe so viel gelernt und glaube, jetzt alles schaffen zu können.“

Noch bis zum 13. September können sich Schüler und junge Berufstätige für das Parlamentarische Patenschaftsprogramm 2020/21 bewerben. Den Eltern entstehen – außer Taschengeld – keine Kosten für den Aufenthalt. Weitere Informationen und die Online-Bewerbung sind unter www.bundestag.de/ppp zu finden.

Celine Gürkan hat sich ein Jahr von ihrer Schule beurlauben lassen und steigt nach den Ferien wieder in die elfte Klasse ein. | Foto: Schilp
Celine (r.) mit Gastvater und Gastschwester. | Foto: pv
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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