Kreuzberg. Nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden Spielzeit endet das Stück damit, dass alle Schauspieler aus irgendwelchen Büchern rezitieren. Daraus entsteht ein dahinplätscherndes Gemurmel.
Das Schlussbild steht für die ganze Vorstellung von „Sprichwörterabend“, der aktuellen Eigenproduktion des Theaterforums Kreuzberg, die am 3. März Premiere hatte. Alles zerfließt, hat Längen, eine Art roter Faden ist höchstens mit viel Mühe auszumachen.
Anemone Poland, die Hausregisseurin des Theaterforums, hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht, weil sie selten gespielte Werke bekannter Autoren häufig als Berliner Erstaufführung auf die Bühne gebracht hat. Auch „Sprichwörterabend“ von Georges Schehadé, 1954 in Paris zum ersten Mal gezeigt, war bisher noch nie in der Stadt zu sehen. Vielleicht hatte das seinen Grund. Denn zumindest diese Inszenierung ist schwer verdaulich und lässt einen am Ende eher ratlos zurück.
Die Handlung: Verschiedene Menschen sind unterwegs zu einem Treffen in einer abgelegenen Gegend. Ein Mann, der darauf besteht, mit Präsident angeredet zu werden, ist ebenso darunter, wie ein Spekulant, ein Diakon, ein Schreiber, der nicht lesen kann und ein Fähnrich. Diese Besucher tauchen bereits im ersten Bild auf. Nicht alle von ihnen finden aber später Einlass. Dafür ein junger Mann, der diesen Reisenden zuvor in einer Kneipe begegnet war. Zunächst schlägt er alle Einladungen aus, die anderen zu der obskuren Session zu begleiten. Dann besinnt er sich anders, lässt sogar seine Geliebte stehen, mit der er eigentlich fliehen wollte, und macht sich auf den Weg.
In dem geheimnisvollen Haus trifft er auf weitere, ihm bisher unbekannte Personen – zwei inzwischen etwas verblühte Damen, einen Professor für Statistik, einen Hutmacher sowie einen Tischler. Letzterer war auch schon im Lokal zuvor Thema, weil eine junge Frau auf seine Ankunft wartete. Dort erscheint er zwar nicht, dafür ist er aber auf einmal Mittelpunkt des Treffens. Und die junge Frau taucht dort ebenfalls auf.
Schon da war es schwierig, den Überblick zu behalten. Und es brauchte Mühe, die Dia- und Monologe nachzuvollziehen. Es schält sich heraus, dass die Teilnehmer anscheinend andere Erwartungen an ihr Leben hatten, als es schließlich verlief, dass eine Menge Idealismus auf der Strecke geblieben ist. Was sich vor allem anhand gegenseitiger Vorwürfe ausmachen lässt. Alle zusammen sind aber der Meinung, sie seien noch immer die Vertreter des Wahren und Guten und hätten den Durchblick. Was schon dadurch ausgedrückt wird, dass sie eben nicht jeden in ihren Kreis aufnehmen. Bei dieser Selbstgewissheit stört vor allem der junge Mann.
Als Metapher lässt sich das noch am ehesten entschlüsseln: eine eigene Kaste, die ihren Zugang reglementiert; Scheinheilige, die Ziele hochhalten, die sie selbst nicht erreicht haben. Vermeintlich Selbstbewusste erscheinen nach einigen verbalen Schlägen eher bemitleidenswert.
Das hätte interessante Charakterstudien und spannende Interaktionen ergeben können. Bei „Sprichwörterabend“ werden aber vor allem Sprichwörter und Worthülsen rekapituliert. Und das von insgesamt 15 Darstellern. Die meisten Schauspieler gaben alles und brillierten teilweise auch bei ihren Szenen. Das Durcheinander, das in einem Lesegeblubber auslief, konnten aber auch sie nicht verhindern. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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