In der Galerie Berliner Graphikpresse im Friedrichshain bei Sabine Ulber
Ich zeichne, also bin ich! Linde Bischofs Ausstellung – Sommer in Warwara. Bei den Romas am Schwarzen Meer in Bulgarien

Linde Bischof, "Schöne Aussicht - auch für Hunde. Vielleicht bleibt er nicht lange allein und die Fliegen kommen ..." | Foto: Anne Schäfer-Junker
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Meine Jahrzehnte währende Bekanntschaft mit Linde Bischof hat zum Besitz einiger wichtiger Werke der aus Thüringen stammenden Künstlerin geführt. In meinem Französisch Buchholzer Graphikschrank sind sie alle versammelt. Diese Werke von Linde Bischof sind auch beim Umzug von meiner ehemaligen WohnGalerie Aujourd’hui auf der Fischerinsel bis an diesen Ort erhalten geblieben. Just als ich die Lithographien und Radierungen vor kurzem wieder zur Hand nahm, kommt per Post eine Einladung zu einer Ausstellung ihrer Werke in der Galerie der Berliner Graphikpresse – ein verdienstvolles, traditionelles Unternehmen. Beim Ausstellungsstart sind vormittags wenige Gäste zugegen, Frau Ulber begrüßt herzlich und später kommt Michael Augustinski aus Köpenick hinzu, der selbst ein großartiger Zeichner und Radierer ist.

Descartes’ ego cogito, ergo sum / Je pense, donc je suis! kommt mir in den Sinn. Die treffende Abwandlung für die künstlerische Kraft von Linde Bischof könnte sein: Ich zeichne, also denke ich - also bin ich da und dabei -. Diese eigene geistige Kraft, mit akademischer Bildung an einer Kunsthochschule, gehört zum Instrument ihrer Anforderung an sich selbst und zur Voraussetzung der Darstellung ihrer Menschenbilder.

Auf feinfühligem, täuschungsfreiem und beobachtungsstarkem Wahrnehmen basieren ihre große Portrait-Kunst und ihre oft karikierend treffende Zeichnung. Abstraktion im Strich und Erhöhung durch Farbe – gemalte Werke von Leben und Dasein an aufregenden menschlichen Orten der Welt. Ihrer Welt – in Berlin-Weißensee, Bulgarien, Kronach und anderen Orten.

Linde Bischofs Werk wurde weitsichtig bereits 1995 in Kronach mit dem Lucas-Cranach-Preis der Stadt Kronach geehrt (bei Einreichungen von 1000 Werken durch 400 Künstler). Ein bedeutendes Ereignis, das in Berlin mit einer Zeitungsnotiz „Cranach-Preis für Berliner Malerin“ auf der damaligen Kulturseite einer immerhin noch heute existierenden Tageszeitung wahrgenommen wurde.

Linde Bischof begreift sich als Berliner Künstlerin. Mit ihrer Weltgewandtheit und ihrem künstlerischen Stil an Vorurteilsfreiheit und Gestaltungslust schafft sie ein Bild-Repertoire freien Sehens und Denkens, stark an Ausdruckskraft und Schönheit. Alle ihre Bilder haben Perspektiven – in die Landschaft hinein und in die gestische und mimische Bewegung der von ihr gezeichneten Frauen, Kinder, Männer, Familien, Großmütter und ethnischen Gruppen. Sie verfälscht nicht, sondern verstärkt das Eigene, das Charakteristische und das zeitlich Raumgreifende.

In der Ausstellung, die noch bis 25. September 2020 zu sehen ist, spricht eine leise und kontinuierlich arbeitende große Künstlerin. Das Gewicht der Werke von Linde Bischof in der Ausstellung auf die 1980er/1990er Jahre zu legen, macht den Reifeprozeß deutlich. Mit ihren zarten Portraits von Persönlichkeiten und lebensfrohen Menschen gehört ihr Werk in das freiheitlich denkende Schaffen vieler, an der Weißenseer Kunsthochschule ausgebildeter MalerInnen und GraphikerInnen, die sich auf künstlerischem Wege ein unverfälschtes Menschenbild erarbeitet und bewahrt haben.

Die Galerie Berliner Graphikpresse in Friedrichshain wird mit großer Kennerschaft geleitet von Sabine Ulber, der Tochter Peter Röskes. (Mehr auf http://www.galerie-berliner-graphikpresse.de/ ) Dr. Peter Röske und Ekkehard Hellwich haben die Galerie 1990 begründet. Ein großartiges Werkverzeichnis des 1960 verstorbenen Berliner und Pankower Künstlers Paul Kuhfuss (1883-1960) gehört zu den Leistungen von Dr. Peter Röske (Vorsicht! Gewicht!) Die bevorstehende Herbstauktion der Galerie Berliner Graphikpresse wird am Sonntag, dem 15. November 2020 stattfinden.

Die Galerie Berliner Graphikpresse in Friedrichshain in der Silvio-Meier-Str. 6, 10247 Berlin, ist ein kleines Paradies zur Kunstgeschichte, zu den Werken und der Lebensgeschichte vieler Künstlerinnen und Künstler, die im Berliner Osten leben wollten, gelebt haben und auch von hier aus in die Welt gegangen sind. Ein Regal mit antiquarischen Büchern und wirklich schöne Ausstellungs-Räume bieten in der Silvio-Meier-Straße einen regelrechten Kunstgenuß.

Anne Schäfer-Junker, Berlin
(anne.junker@berlin.de )

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

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