Bernd Gottberg: Meine Woche in Friedrichshain
Am 22. Januar habe ich meine erste Verhandlung in diesem Jahr. Wie immer erfahre ich erst kurz vor Beginn, worum es in dem Verfahren geht. Der Richter führt mich etwa 20 Minuten in den Fall ein und erklärt, wie er den Prozess anlegen will.Seit zwölf Jahren bin ich Schöffe. Das sind ehrenamtliche Volksvertreter, die bei Strafsachen an der Rechtsprechung teilnehmen. Ich habe mich damals aus Interesse und Neugier für dieses Amt beworben. Es bedeutet auch einen ziemlichen Kontrast zu meinem Beruf als Historiker. Während dieser Zeit habe ich viel über Menschen gelernt und großen Respekt für die Arbeit der Justiz bekommen.
Mein Einsatzort ist die 82. Strafkammer des Landgerichts in der Turmstraße in Moabit. Verhandelt werden dort zum Beispiel Schlägereien, Diebstahl oder Raub. Zeitweise war ich aber auch schon bei der Großen Strafkammer, wo die Prozesse bei schweren Straftaten, etwa Mord und Totschlag geführt werden.
Das wichtigste als Schöffe ist, dass man einen neutralen Blick bewahrt. Auch wenn es um ein besonders grausames Verbrechen geht. Ich konzentriere mich vollständig auf den Prozessverlauf. Ist mir etwas unklar, frage ich den Richter oder Beisitzer. Die schätzen grundsätzlich Anregungen und Einwände. Weniger gut kommt an, wenn versucht wird, ihnen gegenüber mit juristischen Fachbegriffen zu protzen. Der Schöffe soll sich in seiner Sprache ausdrücken, seine Sicht der Dinge einbringen. Nicht zuletzt deshalb gibt es ihn. Er agiert sozusagen direkt im Namen des Volkes.
In jeder Strafkammer besteht das Gericht aus einer ungeraden Zahl von Personen, damit ein mehrheitsfähiges Urteil zustande kommt. Wir sind zu dritt. Vor der Entscheidung wird der Prozess noch einmal rekapituliert. Dann geht es zunächst um die Frage schuldig oder nicht schuldig. Hier habe ich in meiner gesamten Zeit noch nie erlebt, dass es abweichende Meinungen gegeben hat.
Anders sieht es manchmal beim Strafmaß aus. Ich kann mich an einen Fall erinnern, bei dem ich für ein härteres Urteil als der Richter plädiert habe. Weil sich der Beisitzer auf meine Seite schlug, haben wir das durchgesetzt.
Pro Jahr bin ich im Durchschnitt an acht oder neun Verfahren beteiligt. Die Arbeit möchte ich gerne noch einige Zeit weitermachen und werde mich deshalb für die kommende Wahlperiode von 2014 bis 2018 erneut bewerben. Auch wenn es sich um ein Ehrenamt handelt, könnte der Einsatz als Schöffe etwas besser vergütet werden. Derzeit liegt der Stundensatz für die Aufwandsentschädigung bei fünf Euro.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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