„Blutmai“-Gedenken am 4. Mai
Mini-Infostele am Gedenkstein an der Walter-Röber-Brücke rechtzeitig fertig

Katrin Schäfer hat jahrelang um die Infostele am Gedenkstein an der Walter-Röber-Brücke gekämpft. | Foto: Dirk Jericho
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  • Katrin Schäfer hat jahrelang um die Infostele am Gedenkstein an der Walter-Röber-Brücke gekämpft.
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Am 4. Mai um 11 Uhr wird zum 90. Jahrestag der „Blutmai“-Krawalle neben dem „Blutmai“-Gedenkstein an der Walter-Röber-Brücke eine Mini-Infostele mit QR-Code eingeweiht. Der führt auf eine Internetseite, auf der die Hintergründe der brutalen Mai-Unruhen von 1929 erläutert werden.

Über fünf Jahre schon kümmert sich Katrin Schäfer um den riesigen Findling mit der Inschrift an der Wiesenstraße direkt an der Walter-Röber-Brücke. Die Sozialpädagogin vom Tageszentrum Wiese 30 für psychisch kranke Menschen in der Wiesenstraße 30 direkt gegenüber dem Gedenkstein organisiert jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung zum „Blutmai 1929“. Ihre Einladung zum diesjährigen „Bürger*innenfrühstück“ am 4. Mai um 11 Uhr beginnt mit den Worten „Es ist so weit!“ Denn an diesem Tag werden endlich die Infostele und die Internetseite, auf die der QR-Code führt, eingeweiht. Wer ein Handy hat, wird ab jetzt nachschauen können, was es mit dem Stein und seiner Inschrift auf sich hat. Wer keins hat und nicht viel über die Ereignisse in der Weimarer Republik im Mai 1929 weiß, wird weiterhin ratlos dastehen.

Viele kennen die Hintergründe nicht

„Anfang Mai 1929 fanden hier bei Straßenkämpfen 19 Menschen den Tod. 250 wurden verletzt“ steht auf dem Stein, der an der Walter-Röber-Brücke liegt. Straßenkämpfe? 1929? Warum? Viele wissen nicht, was es mit der Geschichte auf sich hat. Deshalb kämpft Katrin Schäfer seit Jahren um eine erklärende Infotafel. Sie hat die AG Gedenkstein im Tageszentrum Wiese 30 gegründet, in der sich jeden ersten Dienstag im Monat um 16 Uhr Interessierte treffen. Auch Besucher des Tageszentrums machen da mit und beschäftigen sich mit der Geschichte. „Wir haben mit dem Gedenkstein vor unserer Haustür und die vielen Themen rundherum etwas abseits der üblichen Gespräche über Krankheiten“, sagt Katrin Schäfer. Ihre Patienten seien „stolz, so etwas gemeinsam geschafft zu haben“.

Text musste gegendert werden

Sie erzählt von dem „unglaublichen Aufwand“ für diese kleine Infostele. Sie sollte eigentlich schon im letzten Jahr aufgestellt werden. Doch es gab viele Fragen, die geklärt werden mussten. Vor allem ging es zum Schluss um die Haftung: Wer ist verantwortlich, wenn ein Kind über die kniehohe Stele stolpert? Der Trägerverein des Tageszentrums Wiese 30, der auf der QR-Plakette steht und sein Okay geben musste. Den Text, den ein Historiker erarbeitet hat und den man über den QR-Code oder der Internetseite blutmai.de findet, musste die AG Geschichte in der BVV noch absegnen. Erst vor ein paar Tagen wurde er nach Überarbeitung freigeben. Die komplette Sprache musste gegendert werden. Zum Beispiel wurde aus Arbeiter "Arbeiter und Arbeiter*in". Bei den Straßenschlachten vor 90 Jahren hatten die Weddinger ganz andere Probleme...

Als Schäfer vor vier Jahren erstmals mit ihrer Idee für eine erklärende Infotafel kam, hat die AG Geschichte abgewinkt. Bestehende Denkmäler dürfen nicht kommentiert werden, war die Antwort, die Schäfer bekam. AG Geschichte-Chefin Vera Morgenstern (SPD), die sich auch in der AG Gendenkstein engagiert, gab den Rat, sich an die BVV zu wenden. Die hatte 2016 in einem Beschluss „eine Informationstafel plus QR-Code für weitergehende Informationen“ gefordert.

Nur eine Tafel aus Plastik

Die Mini-Stele – ein kleiner Vierkantpoller – hat insgesamt inklusive Entwurf und Einbau 1500 Euro gekostet. Das Geld kommt vom Quartiersmanagement Pankstraße, steht auf der Plastiktafel, die auf das Eisen geklebt wurde. Vor einem Jahr war noch von „Eingravieren“ die Rede. Und von einer Stele, die einen Meter hoch ist. Für eine richtige Infotafel mit Textinfos und Fotos direkt am Ort hat das Geld nicht gereicht, sagt Katrin Schäfer.

Zur Einweihung und zum „Bürger*innenfrühstück“ am 4. Mai sprechen Abgeordnetenhauspräsident Ralf Wieland (SPD), der Vorsitzende des Weddinger Heimatvereins und ehemalige Weddinger Volksbildungsstadtrat Bernd Schimmler sowie Katrin Schäfer für die AG-Gedenkstein. „Bei Kaffee, Saft und Fingerfood kann miteinander über Geschichte und Gegenwart gesprochen werden“, heißt es in der Einladung.

Der 1. Mai 1929 in Wedding

Es war eine der schwersten Schlachten der Weimarer Republik, als Polizisten in der Kösliner Straße am 1. Mai 1929 auf Arbeiter und unbewaffnete Zivilisten schossen. Sogar eine Hausfrau wurde beim Wäscheaufhängen niedergestreckt. Der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Karl Friedrich Zörgiebel (1878-1961) hatte ein im Dezember 1928 zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erlassenes Demonstrationsverbot zu den traditionellen Mai-Kundgebungen nicht aufheben wollen. Die Kommunisten wollten sich ihr Demonstrationsrecht aber nicht nehmen lassen. Die KPD rief trotzdem dazu auf; „Straße frei für den 1. Mai!“ lautete die Parole von Ernst Thälmann. Tausende KPD-Anhänger zogen ins Stadtzentrum; die Polizei reagierte mit brutaler Härte. Wedding, Arbeiterbezirk mit über 40 Prozent KPD-Wähler, war einer der Hotspots beim sogenannten Blutmai. Die SPD-geführten Polizisten – insgesamt waren es etwa 13 000 Mann, die das Demonstrationsverbot durchsetzen sollten – schossen in die Menge. Anwohner warfen Flaschen und Steine auf die einrückende Polizei. Die Kösliner Straße wurde zum Schlachtfeld mit brennenden Barrikaden. Die Polizei rückte in Wedding sogar mit Panzwerwagen mit Maschinengewehr gegen die Leute vor. Auch an anderen Orten in der Stadt hatten die Demonstranten unter Führung des Roten Frontkämpferbundes (RFB) Barrikaden und Straßensperren errichtet. In Wedding und Neukölln wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Ergebnis der dreitägigen Unruhen: 33 Tote und mehr als 1200 verhaftete Personen.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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