Dominikanerpater Burkard M. Runne beigesetzt

Pater Burkard Runne O.P.
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Mehrere hundert Trauergäste nahmen am Montag, 20.11.2017 an der Totenmesse für den bekannten Dominikaner Pater Burkard in der Moabiter Klosterkirche St. Paulus und an der anschließenden Beisetzung auf dem St. Sebastian Friedhof in Reinickendorf teil. Beide Berliner Weihbischöfe waren anwesend und die Trauerpredigt hielt der Provinzial der norddeutschen Dominikaner P. Peter Kreutzwald OP. Pater Burkard hat über sechzig Jahre lang in Moabit als Seelsorger gewirkt und war bundesweit bekannt. Als der eilige Pater mit dem Motorroller war er oft schneller als die Feuerwehr oder der Rettungswagen und wurde über 90 Jahre alt.

Im Folgenden dokumentiere ich den Nachruf des Priors P. Michael Dillmann O.P.

P. Burkard M. Runne O.P.

geboren am 22. Juni 1927 in Worms

getauft am 29. Juni 1927 in St. Martin, Worms

Priesterweihe am 22. Juli 1953 in Heilig Kreuz, Köln

heimgegangen am 5. November 2017 in Berlin

P. Burkard war das dritte Kind des Rektors Heinrich Josef Runne und seiner Ehefrau Dorothea, geb. Wittenberg, und erhielt bei der Taufe in der Stiftskirche St. Martin die Namen Heinrich Leo. Die Schulzeit, zunächst an der Westendschule, dann am humanistischen Gymnasium seiner Heimatstadt wurde im Januar 1944 unterbrochen, als er, wie viele seiner Generation, zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach Kriegsende und fünfmonatiger Internierungshaft in Frankreich kehrte er an seine Schule zurück, an der er im August 1947 das Abitur bestand. Über seine Zeit als Soldat sprach er selten und mit großem Unbehagen, wohl erzählte er davon, wie knapp er einer standrechtlichen Erschießung wegen vermeintlicher Fahnenflucht entronnen war. Halt in diesen schwierigen Zeiten boten ihm seine Familie und auch die Patres des Klosters St. Paulus in Worms.

Nach dem Abitur entschloss er sich zum Eintritt in den Predigerorden, wurde in Walberberg bei Köln eingekleidet und absolvierte zunächst dort, die letzten Monaten dann in Warburg/Westf. sein Noviziatsjahr. Dort legte er am 6. Oktober 1948 die einfachen Gelübde ab und kehrte ins Studienhaus der deutschen Dominikaner nach Walberberg zurück. Am 22. Juli 1953 empfing er in der Kölner Dominikanerkirche Heilig Kreuz durch Weihbischof Joseph Ferche die Priesterweihe. Zwei Jahre später legte er sein Lektoratsexamen ab und wurde anschließend zu Ergänzungsstudien im Fach Fundamentaltheologie an die Universität Bonn gesandt.

In diesen Jahren gehörte auch ein gewisser Joseph Ratzinger zu seinen Professoren. Eine Originalunterschrift aus dem Jahr 1958 im erhaltenen Studienbuch belegt dies. P. Burkard erwähnte gelegentlich, dass auch er zum Schülerkreis Benedikts XVI. gehöre, natürlich mit einem Augenzwinkern. Seine bei Prof. Albert Lang begonnene Dissertation konnte er jedoch nicht zu Ende führen, da der Provinzial ihn darum bat, nach Berlin zu gehen, wo die Situation des Konventes eine personelle Unterstützung erforderlich gemacht hatte. P. Burkard gehorchte. So wurde er am 6. Oktober 1959 zum Kaplan an St. Paulus ernannt – geplant war damals ein Aufenthalt von zwei Jahren, es wurden fast sechs Jahrzehnte daraus. 1963 erfolgte die Ernennung zum Pfarrer von St. Paulus, er blieb es bis Juli 1987. Danach musste er, wiederum im Gehorsam gegenüber dem Provinzial und der Wahl seitens der Mitbrüder, das Amt des Priors im Noviziatskonvent im westfälischen Warburg antreten. Der Weggang von Berlin wurde ihm sehr schwer, nicht ganz einfach waren auch die zwei Amtsperioden als Hausoberer in Warburg, da in diese Zeit die Auflösung des Klosters fiel. Im Jahr 1993 kehrte P. Burkard „mit großer Freude“ nach Berlin zurück, wiederum in „seine“ Pfarrei in den unterschiedlichen Funktionen, als Mitglied des neuen Pfarrteams oder später als Vikar des Pfarrers. Die Mitbrüder wählten ihn 1994 zum Prior, ein Amt, das er für sechs Jahre versah. Hinzu kamen in dieser Zeit weitere ordensinterne Ämter, als Diffinitor, als Mitglied des Provinzkonsils und des Wirtschaftsrates. Von 2006 bis 2012 stand er einem seiner Nachfolger im Amt des Priors als Prokurator kompetent und treu zur Seite.

In seinen Aufzeichnungen notierte P. Burkard den wehmütig klingenden Satz „seit 1.1.2005 ohne Amt in der Gemeinde“, was formal richtig war, aber natürlich ganz nicht der Wirklichkeit entsprach. Er blieb noch über ein Jahrzehnt im dauerhaften Einsatz, nicht zuletzt für die ihm ans Herz gewachsenen Senioren, bis zu dem Zeitpunkt, als er nolens volens den Malaisen des Alters wegen einen Schritt kürzer treten musste. Gesundheitliche Probleme, die ihn schon seit langer Zeit begleiteten, nahmen zu, so dass er sich im Frühjahr 2017 schweren Herzens entschloss, sein über alles geliebtes St. Paulus zu verlassen und in das Pflegeheim „Kardinal Bengsch“ umzuziehen, der besseren Versorgung wegen und „um niemandem zur Last zu fallen“. Viele langjährige Freunde und Vertraute sorgten sich aufopferungsvoll um ihn, und es war ihm vergönnt, im Kreise seiner Familie und umgeben von vielen Weggefährten seinen 90. Geburtstag zu feiern. Die Monate danach waren von etlichen Krankenhausaufenthalten geprägt, die P. Burkard, wie so vieles in seinem Leben, mit großem Gottvertrauen, starkem Willen und eiserner Disziplin ertrug. In den letzten Tagen äußerte er immer häufiger den Wunsch, nun doch „endlich heimkehren“ zu dürfen. Auf einem kleinen Zettel, den er immer bei sich trug, hatte er feinsäuberlich alle wichtigen Daten seines Lebens verzeichnet. Die letzte Zeile lautete: „….von Gott heimgerufen.“ Es ist nun an uns, in die von ihm gelassene Leerstelle einzutragen: „Sonntag, 5. November 2017, in den frühen Morgenstunden, von Gott heimgerufen“.

Noch wenige Tage vor seinem Tod tat der Sterbende etwas, was man als Zusammenfassung seines ganzen langen und erfüllten Lebens als Priester und Ordensmann begreifen darf. Eine junge Familie brachte ihren Sohn, den P. Burkard im letzten Jahr getauft hatte, ans Krankenbett, und er segnete den kleinen Benedikt – seine letzte „Amts“-Handlung!

„Unsere Priester sollen immer daran denken, da sie um der Vervollkommnung der Liebe willen den Predigerorden gewählt haben, dass sie nicht für sich selber leben, sondern dass sie auf ihre Nächsten ausgerichtet sind.“ Diesen Absatz hatte P. Burkard mehrfach in seinem abgegriffenen Exemplar der „Konstitutionen des Predigerordens“ markiert und damit sein Selbstverständnis unterstrichen. War er zunächst bereit, den Weg in die Wissenschaft zu nehmen, so führte ihn der Herr, wie er fest überzeugt war, in das Amt eines „Pastors“ im Wortsinn.

Viele Jahrzehnte stand er unermüdlich im Dienst an den Nächsten, unzählige Menschen hat er getauft, getraut und zur letzten Ruhe geleitet. Mit seinem Motorroller samt einem mit Ordenswappen gezierten Helm sauste er förmlich durch ganz Berlin, um Kranken und Sterbenden beizustehen, egal in welchem Stockwerk eines Hinterhofes diese auf ihn warteten. Als er das Rollerfahren aufgeben musste, legte er die oft weiten Wege zu Fuß zurück, so bis wenige Monate vor seinem Tod. Dass er wöchentlich den Gymnastikkurs „Fit für 100“ besuchte, hatte auch darin einen Grund: „fit“ wollte er sich halten - für seine Sendung. Für einen guten Prediger hielt er sich selber nicht; anstelle der Kanzel war der Beichtstuhl sein Lieblingsort in der Kirche, viele Stunden verbrachte er dort, um mit Geduld und viel Güte Menschen mit Gott zu versöhnen. Seine im Alter zunehmende Schwerhörigkeit kam ihm „mit Blick auf die Sünden“ zu Hilfe, wie er gelegentlich humorvoll bemerkte. Den Nöten und Sorgen vieler schenkte er ein offenes Ohr und Herz in geistlicher Hinsicht, für nicht wenige hatte er eine offene Hand zur Lösung materieller Probleme.

Mehr als zwei Jahrzehnte, in nicht wenig turbulenten Zeiten, trug P. Burkard die Freude und die Last der Verantwortung für die ihm anvertraute Gemeinde, darüber hinaus engagierte sich als Präses der Kolpingsfamilie Moabit und als Vorsitzender des Albertusheim e.V., war Mitinitiator bei der Gründung der kath. Grundschule St. Paulus, geistlicher Beirat des Malteserhilfsdienstes Berlin-Tiergarten und ein gesuchter Seelsorger und Exerzitienmeister bei vielen Schwesternkongregationen in Berlin und ganz Deutschland.

Der Erzdiözese Berlin war P. Burkard tief verbunden, er wirkte im Patoralrat und im Priesterrat, auch auf Dekanatsebene. Es gab keine Priesterfortbildung und auch keinen Ausflug der Geistlichen, an denen er nicht teilgenommen hätte. Nicht zuletzt mit den Berliner Bischöfen pflegte er einen guten Kontakt. Bischof Joachim Meisner erwählte ihn zum Mitglied seiner sog. „Familie“ anlässlich der Erhebung zum Kardinal. Durch den Schreiber dieser Zeilen ließ Kardinal Meisner, schon Erzbischof in Köln, einmal besonders herzlich P. Burkard grüßen, diesen, wie er sagte, „Heiligen von Moabit“. Der Gegrüßte errötete ein wenig bei der Übermittlung dieser Worte aus dem Mund des Kardinals und ließ sie vornehm unkommentiert.

P. Burkard war seiner langen Jahre in Berlin wegen so etwas wie das lebendige Gedächtnis von St. Paulus, er kannte fast jeden, war mit Familienverbindungen, Lebensgeschichten und – schicksalen vertraut, wusste genau wer wo wohnt, Hausnummer und Stockwerk. Keiner Frage in diesem Zusammenhang blieb er die Antwort schuldig. In einer Festschrift zum 100jährigen Bestehen von St. Paulus aus dem Jahr 1969 gibt es eine Reihe von kurzen Lebensbildern über „Persönlichkeiten, die St. Paulus prägten“. P. Burkard gebührt zweifelsohne ein fester Platz in dieser Reihe, wenn ein künftiger Historiker sie einmal fortführen wird.

P. Burkard war Pfarrer, und er war es gerne und aus ganzem Herzen – und ebenso gerne und aus ganzem Herzen war er Ordensmann. Bei vielen hinterließ dieser Mann mit der „aristokratischen Erscheinung“ den Eindruck eines „Frommen“, und das war er auch, in der ursprünglichen Bedeutung dieses oftmals geschmähten Wortes. Denn „pius“ (wie es im Lateinischen heißt) bedeutet: „anhänglich ergeben“, Gott, den Vorfahren, den Menschen und der Aufgabe.

Gott ergeben: Es gab keinen Tag, an dem P. Burkard die hl. Messe nicht feierte, eigentlich nie fehlte er beim Chorgebet, eine Kniebank in seinem Zimmer zeugte von seinem persönlichen Beten. Als er noch lange Autofahrten nach „Westdeutschland“ unternehmen konnte, hatte er sich zuvor die Psalmen und Texte des Stundengebetes für die Zeit seiner Reise auf Kassette gesprochen. Keine Hore wollte er auslassen.

Den Vorfahren ergeben: P. Burkard besaß ein ausgesprochenes Interesse für Geschichte und historische Persönlichkeiten. Ob im Geschichtsverein Tiergarten oder im Geschichtsverein der Erzdiözese, er wirkte mit, als Hörer, als Autor oder als Vortragender. Die Geschichte des Klosters St. Paulus und seiner Kunstgegenstände waren ihm ein besonderes Anliegen. Jahrelang versah er mit Akribie das Amt des Archivars, er hatte die Dokumente wohl geordnet und kannte dazu noch ihren Inhalt. Einer ganzen Reihe von jungen Forschern stand er Rede und Antwort und begleitete ihre Veröffentlichungen. Dominikanische Geschichte, Personen und Orte, hatten es ihm angetan. Er sammelte viele Jahre lang Bilder und Postkarten von dominikanischen Heiligen, vornehmlich mit Darstellungen des hl. Dominikus. Damit dürfte er die umfassendste Privatkollektion auf deutschem Boden zusammengetragen haben. Innig vertraut war er mit dem Leben und der Lehre der hl. Caterina von Siena, der großen Mystikerin und Kirchenlehrerin. So verwundert es nicht, dass er jahrelang als geistlicher Begleiter einer Dominikanischen Laiengemeinschaft fungierte, die unter dem Patronat der Heiligen aus Siena steht.

Den Menschen und der Aufgabe ergeben: Genauso wie an der Vergangenheit war er an der Gegenwart interessiert. Die tägliche Zeitungslektüre und die Nachrichten verpasste er nie, er war, nach Selbstaussage, „neugierig“ auf alles. Das galt natürlich für kirchliche Themen, nicht zuletzt für die pastoralen Entwicklungen in Berlin und Deutschland und die Ereignisse im Dominikanerorden, hierzulande und weltweit. Auch für die Bereiche der Politik, der Kunst und der Kultur hegte er großes Interesse. Insgesamt 34 Reisen unternahm er von Berlin aus, die weitesten führten ihn nach Lateinamerika und Afrika, in Rom und im Heiligen Land kannte er sich aus wie in seiner Westentasche. Vor allem junge Menschen und ihr Tun fanden seine Aufmerksamkeit. So machte es ihm Freude, wenn er sich, etwas überraschend für die Teilnehmer, zu einer eigens für Junge Erwachsene (!) in der Gemeinde organisierten Veranstaltung einfand und an deren Gesellschaftsspielen mit Begeisterung teilnahm, eine Begegnung, die keinen der Anwesenden unbeeindruckt ließ – wie es vermutlich immer war, wenn man P. Burkard begegnen durfte.

P. Burkards Heimgang ist ein großer Verlust, für das Dominikanerkloster und die Pfarrgemeinde St. Paulus, für das Erzbistum Berlin, für die Dominikanerprovinz Teutonia und für viele Menschen. Für ihn bedeutete der Tod: Heimkehr!

Er selbst verfasste das nun folgende Gebet und veranlasste, dass es hier seinen Platz findet. Beten wir es für ihn, in Dankbarkeit für sein treues Wirken und sein Dasein. Möge der Herr über Leben und Tod ihm all das vergelten, was er getan hat!

(P. Michael M. Dillmann O.P.)

Gott, unser Vater, durch deinen Sohn

hast du Glück ohne Ende denen versprochen,

die dein Reich suchen.

Im Vertrauen auf sein Wort bitten wir dich für deinen Diener P. Burkard,

der sein Leben in den Dienst der Verkündigung gestellt hat:

Nimm ihn auf in die Freude seines Herrn,

in das Reich des Friedens und der Liebe,

das du uns allen schenken willst.

Durch Christus, unseren Herrn.

R.I.P.

Autor:

Olaf Lezinsky aus Spandau

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