„Etwas Effizientes“ oder ein „Skandal“?
Co-Living-Zimmer an der Lehrter Straße sorgen für Besorgnis im Kiez

Auf seiner Homepage stellt Medici-Living möblierte Zimmer bereit, auch in Moabit.   | Foto: Screenshot
  • Auf seiner Homepage stellt Medici-Living möblierte Zimmer bereit, auch in Moabit.
  • Foto: Screenshot
  • hochgeladen von Simone Gogol-Grützner

An der Lehrter Straße entstehen in zwei Neubauten 94 Wohnungen mit 266 „Co-Living-Betten“. Vermieter dieser neuartigen Wohngemeinschaften (WG) unter der Marke „Quarters“ ist das Unternehmen Medici-Living, nach eigenen Worten „der erste professionelle WG-Anbieter Deutschlands“. Anwohner und wohnungspolitische Aktivisten im Kiez schlagen Alarm.

Da die zehn, 13 oder 16 Quadratmeter großen Zimmerchen in diesen WGs bis zu 830 Euro im Monat kosten sollen, sagen die Kritiker, solche teuren Neubauwohnungen befeuerten Mietpreissteigerungen in der Umgebung und führten zur Verdrängung von Altmietern. Die neuen Bewohner dieses „fremden Dorfes“ würden zudem Sportanlagen, Parks und andere öffentliche Infrastruktur überlasten. Die 94 Wohnungen fehlten Familien. Investor Groth hat das neue Quartier angeblich „für einen familienfreundlichen Kiez“ errichten lassen. Und nun werden die Häuser E3 und F4 bis Mitte August beziehungsweise Mitte Oktober zu Co-Living-Flächen umgebaut.

Medici-Living hat die Häuser langfristig, die Rede ist von mindestens zehn Jahren, von einem deutschen Family Office gemietet. Family Offices sind Gesellschaften, die das private Großvermögen von Eigentümerfamilien verwalten. Die Mieter der möblierten Zimmer unterschreiben normale Mietverträge. Die Mindestmietdauer beträgt ein Vierteljahr. Im Mietpreis inbegriffen sind alle Betriebskosten, die Benutzung der Gemeinschaftsküche und anderer Gemeinschaftsräume, Strom, Internet und andere Annehmlichkeiten. Im Durchschnitt bleiben die jungen Berufstätigen zwischen 18 und 35 Jahren, Leute aus der Start-up-Szene, aber auch Köche, Bäcker, Fotografen und Künstler elf Monate.

Wohnverhältnisse ändern sich

Das sagen Volker Binnenböse und Björn Welter. Die beiden Vertreter von Medici-Living hatten sich Anfang Juni in einer öffentlichen Sitzung des Betroffenenrates Lehrter Straße den Fragen von Anwohnern gestellt.

Medici-Living-Mieter seien häufig neu in der Stadt, so Volker Binnenböse. Viele kämen aus dem Ausland. Einfaches Anmieten mit einer Pauschalmiete über das Internet und keine zusätzlichen Abrechnungen seien sehr hilfreich für diesen Personenkreis. Zudem seien Dinge wie eine Schufa-Auskunft oder eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung im Ausland unbekannt. Sie würden bei Co-Living nicht benötigt.

Die Medici-Living-Mitarbeiter können die Kritik im Kiez nicht nachvollziehen. Bei dem Treffen in der Lehrter Straße sagte Binnenböse, es zögen doch keine „schlechten Menschen“ ein, die die Nachbarschaft störten. Und sie feierten auch nicht die Nacht durch. Die Welt und die Wohnverhältnisse änderten sich eben.

Keine Zweckentfremdung

Das Rechtsamt des Bezirks Mitte hat festgestellt, bei Co-Living handele es sich nicht um eine Zweckentfremdung. Zudem gebe es keine baurechtliche Handhabe dagegen, solange die vereinbarte Zahl an geförderten Wohnungen eingehalten werde. Ungeachtet dessen hat Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) in der RBB-Abendschau vom 7. Juli erklärt, er wolle mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz gegen diese Nutzung vorgehen. Volker Binnenböse sagt, Medici-Living biete „etwas Effizientes“, das „bezahlbar“ bleibe; anders als im Falle von Mikroapartments. Sie würden häufig von Firmen angemietet und stünden leer.

Medici-Living unterhält in Moabit noch ein weiteres „Quarter“-Haus. Es ist ein neu errichtetes Hinterhaus mit 44 Zimmern in der Stromstraße 36. Die zehn und 13 Quadratmeter großen möblierten Zimmer kosten monatlich 550 bis 590 Euro Miete.

Das Unternehmen hat noch eine zweite, „klassische“ Marke. Auf Zeit werden Wohnungen an Studenten, Auszubildende oder Praktikanten vermietet. Rund 250 dieser Wohnungen gibt es in Berlin. Zwölf Wohnungen befinden sich im Vorderhaus der Stromstraße 36 und je eine in Alt-Moabit 62/63, in der Turmstraße 52, der Bandelstraße 8 und in der Dreysestraße 12, wie der Betroffenenrat Lehrter Straße herausgefunden hat.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 99× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 218× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 207× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 63× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 270× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 624× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.