Varianta-Schauspielerin Christel Grünewald starb mit 79 Jahren
In Spandau war Christel Grünewald ein Star. Es kam nicht selten vor, dass Szenenapplaus schon dann einsetzte, wenn sie die Bühne betrat. Es reichten angedeutete Gesten oder knappe Sätze, um Lachstürme hervorzurufen. Sie konnte jede Szene ins Komische reißen mit ihrem Berliner Mutterwitz und den Marotten, die sie ihren Figuren schenkte. Und immer blieb sie dabei die zupackende Frau mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Wer sie einmal auf einer Theaterprobe erlebte, wusste sofort, welche Bereicherung sie für jedes Ensemble gewesen wäre.
Christel Grünewald war für die Kunst geboren, und doch hatte sie es nicht immer leicht mit den Brettern, die auch für sie die Welt bedeuteten. Geboren am 21. September 1935, wuchs sie in Prenzlauer Berg auf. Schon mit sechs Jahren erhielt sie an der Volksbühne eine klassische Ballettausbildung. Sie hatte Auftritte in der Staatsoper und der Komischen Oper und ging auf Tournee.
Nach der Geburt ihres Sohnes Frank 1960 hörte sie aber mit dem Tanzen auf. Wenig später traf sie eine andere wichtige Entscheidung: Sie wechselte kurz vor dem Mauerbau nach West-Berlin. Ihren Schauspielkollegen erzählte sie oft von der Dramatik des "Umzugs", der eher eine Flucht war: Im Kinderwagen hatte sie unter ihrem Baby gerade so viel Hausrat verborgen, das die ungewöhnliche Beladung nicht auffielt. Trotz Wärme hatte sie Kleidung in mehreren Schichten übereinander angezogen. Doch mehr schwitzte sie wohl in der Angst vor den Volkspolizisten der DDR, die die Flucht per S-Bahn noch bemerken könnten. Erst am Bahnhof Zoo atmete sie auf.
In West-Berlin lebte Christel Grünewald zusammen mit ihrer Mutter, die sie bis zu deren Ableben versorgte, und ihrem Sohn im Meydenbauerweg. Sie war also mehr als 50 Jahre Spandauerin. Bis ins Rentenalter arbeitete sie in den Schleicher Relais-Werken, um den Lebensunterhalt zu verdienen und auch ihrem Sohn das Studium zu ermöglichen.
Die Liebe zur Bühne hatte sie nie verlassen und so kam Christel Grünewald 1981 an das Spandauer Theater Varianta, das damals noch von seinem Gründer Wolfgang Nusche geleitet wurde. Sie entwickelte sich zum absoluten Publikumsliebling. 2012 ehrten sie ihre Kollegen mit dem Spandauer Theaterpreis Julius, 2014 erhielt sie nach Abstimmung durch das Publikum den Goldenen Julius. Das Theater war ihr Leben. Als klar war, dass sie bedingt durch eine schwere Krankheit nicht mehr zurückkehren konnte, verlor sie den Lebensmut. Sie trat von der Bühne des Lebens ab in dem Jahr, in dem ihr geliebtes Spandauer Volkstheater Varianta 50 Jahre alt wird.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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