Bevor es laut und bunt wird
Erinnerung an verfolgte Schwule am Tag des Berliner Christopher Street Day
Bevor es bunt und laut wurde, gab es einen Moment der Stille und inneren Einkehr. Am Tag des traditionellen Berliner Demonstrationszuges zum Christopher Street Day hatten sich einige Menschen, darunter Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), zu einer Gedenkveranstaltung am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Großen Tiergarten eingefunden.
Eingeladen hatten die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD). Im Mittelpunkt standen dabei die Themen Rehabilitierung und Entschädigung von homosexuellen Männern. In der Nazizeit hätten sich mehr als 100.000 Homosexuelle auf „rosa Listen“ der Gestapo wiedergefunden. Vermutlich bis zu 15.000 wurden ermordet, erinnerte Oberstaatsanwältin Ines Karl. Sie ist eine von zwei Ansprechpartnern der Berliner Staatsanwaltschaft für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle.
Als „Gemeinschaftsfremde“ und „Entartete“, als „Jugendverführer“, „Infektionsgefahr“ und „Staatsfeinde“ wurden Homosexuelle von den Nazis denunziert und verfolgt. Die Nazis verschärften die Strafbestimmungen des 1871 ins Strafgesetzbuch eingeführten Paragraphen 175 wesentlich. Homosexuellen drohten bis zu zehn Jahre Zuchthaus. Sie wurden in Konzentrationslager verschleppt, wo sie in der Häftlingshierarchie zusammen mit Juden, Sinti und Roma sowie sowjetischen Strafgefangenen auf der untersten Stufe standen. Sie waren medizinischen Versuchen und Grausamkeiten der SS-Wachmannschaften ausgeliefert. Homosexuelle Häftlinge verzeichneten prozentual mit die höchste Todesrate in Konzentrationslagern.
Der 8. Mai 1945 sei für Homosexuelle keine Befreiung gewesen, sagte Oberstaatsanwältin Karl. In der BRD und DDR seien Homosexuelle weiterhin systematisch ausgegrenzt und verfolgt worden. Wieder habe es Razzien und „rosa Listen“ gegeben. Und wieder hätten sie in der Knasthierarchie ganz unten rangiert. Andere mussten ein Doppelleben führen aus Angst, Beruf und bürgerliche Existenz zu verlieren. Das seien schwerste Menschenrechtsverletzungen gewesen, stellt die Vertreterin der Berliner Justiz fest.
Erst im vergangenen Jahr wurden die 175er-Urteile aufgehoben. „Das kann Lebensläufe nicht heilen“, hebt Ines Karl hervor und merkt an, dass seit der Aufhebung der Urteile weniger als 100 Männer Anträge auf Entschädigung gestellt hätten. „Wir müssen hier noch mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten“, sagte Georg Härpfer. Das Vorstandsmitglied der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren forderte die Einführung einer Härtefallregelung. Exemplarisch nannte Georg Härpfer den Fall Lauinger. Der Betroffene saß acht Jahre in Untersuchungshaft. Ohne Gerichtsverhandlung und Urteil wurde er entlassen. Ohne Urteilsspruch gibt es aber keine Entschädigung. Eine entsprechende Bundesratsinitiative des Landes Berlin laufe, sagte Härpfer.
Jana Mechelhoff-Herezi von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas merkte an, das das Denkmal für die verfolgten Homosexuellen im Juni zehn Jahre alt geworden ist. Das Denkmal sei „ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz“ im Nationalsozialismus und nach 1945 in den beiden deutschen Staaten, so Mechelhoff-Herezi. Am Ende der Veranstaltung wurden Kränze und Blumen niedergelegt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.