„Hier kommt keiner mehr lebend raus!“
Das Bezirksamt und die Gemeinde Kleinmachnow gedenken gemeinsam der Mauertoten

Ein Gedenkstein an der Ecke Berlepschstraße und der Karl-Marx-Straße auf Kleinmachnower Gebiet erinnert an Peter Mädler, Christian Buttkus, Karl-Heinz Kube, Walter Kittel und Karl-Heinz Kube. | Foto: Ulrike Martin
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  • Ein Gedenkstein an der Ecke Berlepschstraße und der Karl-Marx-Straße auf Kleinmachnower Gebiet erinnert an Peter Mädler, Christian Buttkus, Karl-Heinz Kube, Walter Kittel und Karl-Heinz Kube.
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Am Dienstag, 13. August, jährt sich der Tag des Mauerbaus zum 58. Mal. Vertreter des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf und der Gemeinde Kleinmachnow treffen sich, um an die Opfer der deutschen Teilung zu erinnern.

Die Gedenkveranstaltung auf Zehlendorfer Seite beginnt um 16 Uhr in der Neuruppiner Straße am Kreuz für Karl-Heinz Kube. Anschließend geht es zur Gedenkstätte am Adam-Kuckhoff-Platz in Kleinmachnow.

Auch wenn die Zahl bisher nicht genau festgelegt werden kann, kamen nach aktuellen Untersuchungen zwischen 1961 und 1989 über 320 DDR-Bürger an der innerdeutschen Grenze ums Leben. In Berlin gab es mindestens 139 Mauertote, vier davon in Kleinmachnow.

An der Ecke Berlepschstraße und der Karl-Marx-Straße auf Kleinmachnower Gebiet sind auf einem Stein die Namen von Karl-Heinz Kube, Walter Kittel, Christian Buttkus und Peter Mädler zu lesen. Für Kube steht am Ende der Neuruppiner Straße noch ein Gedenkkreuz.

Karl-Heinz Kube (1949-1966) wuchs in Ruhlsdorf bei Teltow auf und arbeitete nach der Schule im VEB Industriewerk Ludwigsfelde. Er bevorzugte westliche Musik und Kleidung, störte sich am DDR-System.

Am 16. Dezember 1966 fuhr Kube mit seinem Freund Detlev S. auf einem Motorroller nach Kleinmachnow. Sie überwanden eine Mauer und durchtrennten mit Seitenschneidern Drahthindernisse und gelangten kurz vor 22 Uhr in den Todesstreifen. Dort hatten sie noch einen 2,5 Meter hohen Zaun als abschließendes Hindernis zu überwinden, als sie unter Beschuss genommen wurden. Die Freunde suchten Schutz in einem Graben, wurden aber entdeckt. Weitere Schüsse trafen Kube tödlich in Kopf und Brust, Detlev S. blieb unverletzt, wurde festgenommen und kam ins Stasi-Untersuchungsgefängnis in Potsdam.

Christian Buttkus (1944-1965) wuchs in Berlin-Niederschönhausen auf, begann 1960 eine Lehre beim VEB Berlin-Chemie und verlobte sich 1964 mit Ilse P. Im Februar 1965 erhielt Buttkus seinen Einberufungsbefehl zur Nationalen Volksarmee, in der er nicht dienen wollte. Er trug sich bereits seit der Mauerschließung mit Fluchtgedanken, die er jetzt gemeinsam mit seiner Verlobten bei schlechtem Wetter in die Tat umsetzen wollte.

Am Abend des 3. März 1965 fiel Schnee. Das Paar trug weiße Kittel zur Tarnung. In Kleinmachnow überwanden sie den Sperrgraben und lösten gegen 1.15 Uhr Alarm aus. Sie rannten durch den Todesstreifen, um die letzten drei Reihen Stacheldrahtzaun zu überwinden. Dabei gerieten sie unter Beschuss. Von den 199 abgegebenen Projektilen trafen 25 Christian Buttkus in den Oberkörper. Er verstarb vor Ort. Seine Verlobte erlitt einen Streifschuss am Unterschenkel. Sie wurde zu einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Peter Mädler (1943-1963) wurde adoptiert, lebte in Hoyerswerda und erlernte im Kraftwerk Lauta in Lauterberg den Beruf des Elektromonteurs. Ende 1961 arbeitete er im Geräte- und Reglerwerk Teltow. In der Nacht zum 26. April 1963 versuchte Mädler den Teltowkanal nahe des Erlenwegs in Kleinmachnow zu durchschwimmen. Er wurde von Grenzsoldaten beschossen, konnte zunächst unverletzt untertauchen, wurde aber tödlich getroffen, als er kurz vor der Grenze wieder auftauchte.

Besonders tragisch ist das Schicksal von Walter Kittel (1942-1965). Für ihn steht an der Karl-Marx-Straße eine Extra-Stele neben einem Segment der Mauer. Er wurde von einem Kommandeur der DDR-Grenztruppen ermordet.

Kittel traf am Abend des 17. Oktober 1965 in einer Gaststätte in Teltow auf seinen Bekannten Eberhardt K. Sie beschließen die sofortige Flucht nach West-Berlin. In Kleinmachnow, an der Straße An der Stammbahn, im Garten der Nummer 53, überwanden die beiden gegen 2.45 Uhr den Zaun, der das Grundstück von den Grenzanlagen abschloss und bewegten sich in Richtung Grenzzaun. Wegen eines Wachhundes blieben sie stehen und wurden von zwei Grenzposten entdeckt, die sie aufforderten, mit erhobenen Händen zum Kolonnenweg zu gehen. Da die Flucht gescheitert war, folgten sie dem Befehl. Zwischen Kittel, seinem Begleiter und den Grenzern kam es zum Streit. Einer der Grenzer schoss Eberhardt K. in die Füße. K. und Kittel suchten Zuflucht in einem Graben. Kittel, der unverletzt geblieben war, kam nach Aufforderung aus dem Graben. Der Kommandeur der Grenztruppen gab 30 Schüsse auf ihn ab und schrie: „Ich habe mir geschworen, hier kommt keiner mehr lebend raus!“ Kittel verstarb an Ort und Stelle.

Erst 1992 wurde der Todesschütze unter Anwendung des DDR-Strafgesetzes zu einer Freiheitsstraße von sechs Jahren wegen Totschlags verurteilt. Im darauf folgenden Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof wurde die Strafe auf zehn Jahre erhöht und der Tatvorwurf von Totschlag auf Mord geändert. Es war die höchste Strafe, die in einem Mauerschützenprozess ausgesprochen wurde.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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