Plastik ist ein Auslaufmodell
In der Bölschestraße wurde ein Unverpackt-Laden eröffnet

Zehn verschiedene Sorten Gummibärchen gibt es im Geschäft von Steffen Lippert und Sybille Benke. Die Auswahl überrascht viele Gäste. | Foto: Philipp Hartmann
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„Das Einkaufen ist bei uns natürlich nicht so einfach wie im Supermarkt, wo sich die Leute den Korb vollhauen können. Hier müssen sie sich vorbereiten und überlegen, wie viele Behälter sie mitnehmen“, sagt Steffen Lippert (49). Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sybille Benke (48) betreibt er seit Anfang Mai das Geschäft „unverpackt berlin“ in der Bölschestraße 120.

Lebensmittel, Kosmetikprodukte und Waschmittel haben die beiden im Angebot. Das Sortiment wird stetig erweitert. Mehr als 500 Artikel sind es bereits. Bis auf ganz wenige Ausnahmen werden alle ohne Verpackung verkauft. Wer im Geschäft, das mit jedem Biomarkt vergleichbar ist, einkaufen will, muss beispielsweise leere Gläser mitbringen und wiegen. Bezahlt wird später die abgefüllte Menge. Das Kaufverhalten ist dabei sehr unterschiedlich. „Sonnabend ist anscheinend Familientag. Da kommen manche mit einer ganzen Kiste voller Gläser und kaufen gleich für die gesamte Woche ein. Wir haben aber auch Kunden, die regelmäßig kleine Mengen kaufen“, berichtet Steffen Lippert. Wer möchte, könnte auch nur einen einzelnen Keks bekommen. Für einige Kunden ist der Verzicht auf Verpackungen bereits seit Jahren Teil des Alltags. Andere wiederum sind jetzt neugierig geworden und setzen sich erstmals mit dem Thema auseinander.

Obwohl das Paar den Laden mitten in der Corona-Krise eröffnet hat, wurde dieser bereits gut angenommen. „In Friedrichshagen gibt es viele Menschen, die bewusst leben, und viele Familien, die genau auf ein solches Angebot gewartet haben“, erzählt Sybille Benke. Sie selbst machen sich schon lange Gedanken über eine nachhaltige Lebensweise und umweltschonenderes Einkaufen. In ihrem eigenen Garten halten sie Hühner und bauen Gemüse an, das sie gern auch bald im Geschäft anbieten möchten. „Es ist doch wahnsinnig, was alles eingepackt wird“, meint die Gründerin. Sie stelle sich oft die Frage: „Muss das sein?“ Wer sich im Laden umsieht, stellt schnell fest: Nein, es muss nicht sein.

Deutschlandweiter Trend

Das sehen offenbar inzwischen auch viele andere Menschen so, denn der Trend zum unverpackten Einkaufen ist seit Jahren zu beobachten. Im Unverpackt-Verband sind laut Sybille Benke deutschlandweit mittlerweile mehr als 300 Geschäfte, viele von ihnen derzeit noch in der Planungsphase, vertreten. In Kreuzberg sei 2017 der erste in Berlin eröffnet worden. Auch in Friedrichshain und Charlottenburg gibt es Unverpackt-Läden. Für Steffen Lippert und Sybille Benke waren diese jedoch zu weit entfernt. „Wir wohnen etwas außerhalb, in Rüdersdorf. Für uns war es ökologisch nicht sinnvoll, anderthalb Stunden nach Berlin reinzufahren, um unverpackt einkaufen zu können. Wir konnten daher nicht so leben, wie wir wollen. Also haben wir gesagt, dass wir einen eigenen Laden aufmachen“, berichtet sie.

Im Geschäft gibt es unter anderem auch unverpacktes Shampoo und Handseifen. | Foto: Philipp Hartmann
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Der Entschluss reifte vor gut einem Jahr. Sie besuchten dafür einen Wochenendworkshop im ersten Unverpackt-Laden Deutschlands, der 2014 in Kiel eröffnet wurde. Dort erhielten sie einen Blick hinter die Kulissen, lernten, wie ein Laden zu führen ist, welche gesetzlichen Vorgaben und Hygienevorschriften zu beachten sind, von wo sie Lebensmittelspender und Lebensmittel beziehen können. In ihrem eigenen Geschäft legt das Paar großen Wert auf Regionalität. Es gibt unter anderem Purpur-Weizen aus dem Havelland, Bio-Ravioli aus Müncheberg, Molkereiprodukte aus Stolzenhagen, Saft der Firma Wilke aus Fredersdorf, Honig aus Hennickendorf und Erkner. Wer möchte, kann im Laden sein eigenes Mehl mahlen oder Kaffeebohnen mahlen lassen. Es gibt auch Süßigkeiten. „Viele sind über die Auswahl der Gummibärchen überrascht“, berichtet Steffen Lippert.

Butter könnten sie leider nicht anbieten. Dafür müssten sie beispielsweise einen Zehn-Kilo-Block aufstellen, doch der würde dann zu schnell schlecht werden. Brot würden sie gern noch ins Sortiment aufnehmen. Viele Kunden wollten für den Lebensmittelkauf nur einmal einkaufen gehen. Daher mache sich das fehlende Brot einfach bemerkbar, so Lippert. Ein ehemaliger Schüler von ihm hat inzwischen aber angeboten, sein eigenes in ihrem Laden zu backen. Das wollen sie nun ausprobieren.

Berufliche Perspektive

Steffen Lippert hat seinen früheren Job inzwischen an den Nagel gehängt. Er hat als Lehrer für Biologie, Physik, Naturwissenschaften und Mathematik unter anderem im Evangelischen Gymnasium in Wendenschloß gearbeitet. Betriebswirtin Sybille Benke arbeitete früher für das Restaurant von Mövenpick Berlin. Heute ist sie noch im Management einer großen Zahnarztpraxis in Zehlendorf tätig. Sollte sich das Geschäft gut entwickeln, möchte auch sie sich bald ausschließlich auf den Laden konzentrieren.

Sandrine Albrecht dürfte es freuen. „Mein Mann ist absoluter Stammkunde“, sagt sie, als sie ihren Einkauf am Tresen abstellt. Reis, Müsli, Nüsse, Nudeln und Waschmittel hat sie diesmal besorgt. Sie habe bereits früher darauf geachtet, Beutel mitzunehmen, statt überall Plastiktüten abzureißen. Nirgendwo anders ist das so selbstverständlich wie bei „unverpackt berlin“.

Mehr Informationen gibt es unter www.unverpackt-berlin.com.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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