Ein Verbot weiterer Gaststätten kaum möglich

Kneipenmeile Graefekiez. Viele Lokale bestehen dort allerdings schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten. | Foto: Frey
  • Kneipenmeile Graefekiez. Viele Lokale bestehen dort allerdings schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain-Kreuzberg. In einigen Gebieten des Bezirks reiht sich inzwischen ein Lokal an das nächste. Diese Kneipenflut will der Bezirk zumindest nicht weiter ansteigen lassen. Aber das ist nicht so einfach.

Handhabe für das Verhindern weiterer Gaststätten soll der Paragraph 15 Baugesetzbuch bieten. Er definiert ansonsten zu genehmigende Betriebe als unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage und Umfang der Eigenart eines Wohnviertels widersprechen. Also konkret: Wenn es dort mehr Kneipen als Ecken gibt.

Zum Beispiel im Graefekiez, der als eine Art Pilotgebiet für das Verfahren ausgewählt wurde. 85 Gaststätten habe eine Zählung in dieser Gegend ergeben, berichtet Stefanie Raab vom Projekt "lokal leben", das sich auch um andere Probleme zwischen Anwohnern und Gewerbetreibenden kümmern soll. Natürlich sind das weitaus mehr, als für eine Nahversorgung nötig wären. Aber wegbringen, lassen sie sich trotzdem nicht ohne weiteres.

Für die vorhandenen gibt es einen Bestandsschutz, abgesehen davon, dass manche bereits seit Jahrzehnten dort ansässig sind. Schwer zu verhindern ist auch, wenn statt der bisherigen Kneipe am gleichen Ort eine neue aufmacht. Nur wenn ein Ladengeschäft einem Lokal weichen muss, gebe es vielleicht eine Handhabe.

Aber auch im Graefekiez nicht überall. Bei einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft und Stadtplanung zu diesem Thema am 18. März wurde deutlich, dass nicht alle Bereiche dieser Gegend den Status eines reinen Wohngebiets haben. Der östliche Teil in Richtung Kottbusser Damm gilt als Mischgebiet. Hier würden die Einschränkungen wahrscheinlich überhaupt nicht greifen.

Für das Wohngebiet hat lokal leben sieben Adressen eruiert, in denen demnächst die Eröffnung einer Gaststätte zu befürchten ist. Das Stadtplanungsamt habe teilweise andere Erkenntnisse, erklärte dessen Leiter Matthias Peckskamp. An einer Stelle wurde beispielsweise der Umbau zu einer Pizzeria vermutet. "Uns ist bekannt, dass hier eine Konditorei einziehen soll." Schwierigkeiten machen außerdem manche Mischformen aus Gewerbe und Gastronomie. Etwa ein Friseur, der aber nicht nur Haare schneidet, sondern auch Cocktails anbietet. Und insgesamt müsse einem neuen Betreiber ganz konkrete Gründe vorgelegt werden, warum es für sein Lokal jetzt die rote Karte gibt. "Ihm einfach zu sagen, du bis der eine zu viel, wäre zu wenig", sagt Peckskamp. Sein Resümee: "Uns ist bisher noch kein Fall untergekommen, an dem wir ein Exempel hätten statuieren können." Möglicherweise finde sich der auch nicht im Graefekiez, sondern zum Beispiel in der Falckensteinstraße oder rund um das Ostkreuz.

Als erster Bezirk hat Tempelhof-Schöneberg versucht, mit Hilfe des Paragraphen 15 gegen eine weitere Gaststätte in der Maaßenstraße vorzugehen. Dagegen wehrte sich der Betreiber, entscheiden muss jetzt das Gericht.

Nicht nur wegen dieses Beispiels mahnte der CDU-Bezirksverordnete Michael Schill ein eher vorsichtiges Vorgehen an. Andere Redner sahen das anders. "Mein Eindruck ist, im Bezirksamt herrscht immer noch ein zu großes Hosenflattern", kritisierte John Dahl (SPD). Stefanie Raab wünscht sich, dass zumindest die Eigentümer leer stehender Gewerberäume angeschrieben werden. "Der Brief sollte ihnen klar machen, dass ein Gastronomiebetrieb hier nicht genehmigt wird."

Relativ leicht wird es den Antragstellern auch wegen der verschiedenen Zuständigkeiten gemacht. Wer ein Lokal aufmachen will, geht zunächst zum Gewerbeamt. Liegen dort keine persönliche Einwände vor, bekommt er die Zulassung. Für den Umbau eines Gewerberaums ist wiederum die Bauaufsicht zuständig. Und für Klagen der Anwohner das Umweltamt. Das wird aber normalerweise erst vorstellig, wenn der Betrieb bereits eröffnet ist.

Der nächtliche Lärm stört auch im Graefekiez die Bewohner am meisten an der Kneipenflut. Darauf zielt der Paragraph 15 aber nicht unbedingt. "Wir wollen vor allem gegen monokausale Gewerbestrukturen vorgehen", erklärte Julian Schwarze (Bündnis90/Grüne), dessen Fraktion den Antrag eingebracht hatte. Denn es könne nicht sein, dass es in manchen Gegenden zwar massenhaft Kneipen, aber kaum noch einen Bäcker gebe.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 411× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 392× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 339× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 374× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.694× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.