Dem Leid nahe kommen
Mahnmal "Einschlüsse" auf dem Roedeliusplatz erinnert an Opfer der Militärjustiz und der Stasi

Auf dem Roedeliusplatz ist jetzt das Kunstwerk „Einschlüsse“ als Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer sowjetischer Militärjustiz und der Stasi 1945-89 zu besichtigen. | Foto: Bernd Wähner
3Bilder
  • Auf dem Roedeliusplatz ist jetzt das Kunstwerk „Einschlüsse“ als Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer sowjetischer Militärjustiz und der Stasi 1945-89 zu besichtigen.
  • Foto: Bernd Wähner
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Im Bezirk gibt es ein neues Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer sowjetischer Militärjustiz und der Stasi 1945-89 auf dem Roedeliusplatz in Lichtenberg.

Dieses Mahnmal des Künstlers Roland Fuhrmann ist jetzt fertiggestellt, sodass der Erinnerungs- und Gedenkort besichtigt werden kann. Das Kunstwerk „Einschlüsse“ zeigt vier abgeformte Zellentüren, die ineinander gekeilt und zusammengerückt sind. Sie stehen für jene vier umstehenden Gebäude am Roedeliusplatz, in deren Kerkern und Kellern Menschen eingeschlossen und willkürlich verurteilt wurden. Einschlüsse aus Okularen gewähren Einblicke in Einzelschicksale, wenn man durch sie schaut. Neugierige Passanten werden gedanklich eingeschlossen und verschmelzen für einen Moment mit dem Gedenkort.

Am Roedeliusplatz, in vier verschiedenen Gebäuden, befand sich nach Kriegsende 1945 das Hauptquartier des Sowjetischen Militärtribunals (SMT) der Sowjetischen Besatzungszone. In den Jahren 1945 bis 1955 wurden neben einer unbekannten Anzahl von Rotarmisten etwa 35 000 deutsche Zivilisten vom SMT verurteilt, davon etwa 1000 hingerichtet. Nach Übernahme der Gebäude durch die DDR-Justiz und die Staatssicherheit gab es dort bis 1989 etwa 10 000 weitere politisch motivierte, menschenrechtswidrige Urteile und Inhaftierungen.

Auf Anregung des Aufarbeitungsvereins Bürgerkomitee 15. Januar wurde im Mai 2020 vom Bezirksamt Lichtenberg ein Kunstwettbewerb für diesen Ort ausgelobt. Am 19. Februar 2021 empfahl das Preisgericht von zehn eingereichten Entwürfen einstimmig den Entwurf „Einschlüsse“ zur Realisierung.

„Das Mahnmal besteht aus Aluminiumguss und hat die Abmaße 2,20 mal 1,60 mal 0,80 Meter. Es enthält 50 Okulare mit Porträtfotos und Zitaten mit den jeweiligen Namen und Haftbiografien, verkleinert auf Mikrofilm, die als ‚Einschlüsse‘ in die Gussplastik eingelassen sind“, informiert Roland Fuhrmann. „Jedes vierte Okular zeigt ein Porträtfoto. Bei der Auswahl der Porträts wurde auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet. Außerdem sollte möglichst ein breiter Bevölkerungsquerschnitt verschiedener Berufe und sozialer Schichten gezeigt werden. Bei den zwischen 1945 und 1953 Hingerichteten wurde der Fokus auf besonders junge Opfer gelegt, da sich in dieser Altersgruppe die Todesurteile häuften. Bei den nach 1955 verhafteten politischen Häftlingen wurden Fotos gewählt, die sie im Lebensalter des Ereigniszeitraums zeigen.“

Die Idee des Gedenkorts funktioniere als soziale Plastik, so der Künstler weiter. Sie wird von Menschen umstanden, die in den Okularen lesen, den Opfern emotional nahe kommen und ihrer gedenken. Alle Zitate sind mit Quellenangaben versehen, sodass die Betrachtenden in den jeweiligen Büchern noch tiefer in die Biografien und die Geschichte eintauchen können. „Ohnehin kann dieser Gedenkort nur einen kleinen Ausschnitts des Leids der zigtausend Betroffenen abbilden. Aber seine Botschaften werden in den Köpfen der Menschen weiter getragen und werden sich in alle Richtungen verbreiten“, so Roland Fuhrmann.

Am Mahnmal ist außerdem eine Tafel mit folgender Widmung eingelassen: „Für Menschenwürde – gegen Diktatur. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etablierten die sowjetischen Streitkräfte hier am Roedeliusplatz ihre Militärgerichtsbarkeit, später übernommen vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Hier wurden 1945 bis 1989 hundertfach politisch motivierte Todes- und Hafturteile gesprochen. Daran erinnert dieser Denkort.“ Erstellt wurde dieser Widmungstext vom „Runden Tisch Roedeliusplatz“, initiiert vom Aufarbeitungsverein Bürgerkomitee 15. Januar .

Ausführliche Informationen zum Mahnmal finden sich auf rolandfuhrmann.de/work/einschluesse.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

83 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 785× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 780× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 735× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 580× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 727× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 1.029× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.