Militärparaden und Elektrotechnik prägen die Geschichte des Platzes des 4. Juli

Bernd von Kostka, kommissarischer Direktor des Alliierten-Museums (links), Kulturstadtrat Frank Mückisch (CDU) und der Historiker Thomas Irmer (rechts) stellten die neue Stele am Platz des 4. Juli vor. | Foto: Philipp Hartmann
  • Bernd von Kostka, kommissarischer Direktor des Alliierten-Museums (links), Kulturstadtrat Frank Mückisch (CDU) und der Historiker Thomas Irmer (rechts) stellten die neue Stele am Platz des 4. Juli vor.
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Lichterfelde. Neben dem Parkfriedhof Lichterfelde, den Wohnhäusern und der Kleingartenkolonie wirkt der Platz des 4. Juli wie ein Fremdkörper. Er sieht mehr wie eine Straße als ein Platz aus, ist breiter als eine Autobahn und hat eine bewegte Vergangenheit. Darüber informiert jetzt eine Erinnerungsstele des Kulturamts.

Sie wurde am 16. Oktober offiziell der Öffentlichkeit übergeben und ist beidseitig beschrieben. Auf der einen Seite wird die Geschichte des ehemaligen Telefunken-Werks erläutert, auf der anderen, wie es zum Bau des Platzes und zu seiner Namengebung kam. Die Texte wurden vom Historiker Thomas Irmer und dem kommissarischen Direktor des Alliierten-Museums, Bernd von Kostka, verfasst.

Ursprünglich war der Platz des 4. Juli Teil eines großen Planspiels der Nationalsozialisten. Diese wollten Berlin zur Welthauptstadt „Germania“ ausbauen und dabei vier Ringstraßen rund um das Berliner Zentrum ziehen. Mit der Aufgabe wurde der Architekt Albert Speer betraut, der ab 1942 als Reichsminister für Bewaffnung und Munition zuständig war und nach dem zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Mit dem Platz des 4. Juli sollte damals der vierte Ring um das Zentrum beginnen, wodurch der Platz damals noch den Namen „4 Ring“ trug.

Gleich nebenan befand sich von 1939 bis 1945 der Hauptsitz des Elektrounternehmens Telefunken, das vorher vor allem in Kreuzberg angesiedelt war. Das 240 000 Quadratmeter große Grundstück an der Goerzallee nutzte Telefunken für seine Büros, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, Werkstätten und Warenlager. 6000 Beschäftigte sollten dort arbeiten, doch während des Zweiten Weltkrieges waren es zeitweise sogar über 10 000. Telefunken wurde in dieser Zeit zum Rüstungsunternehmen, in dem 600 junge Kriegsgefangene aus Frankreich täglich schuften mussten. In der Lagerküche wurden damals zudem polnische Zwangsarbeiterinnen ausgebeutet.

Ein Großteil der Baracken, die der damalige Telefunken-Direktor Martin Schwab als „Auge und Ohr der Wehrmacht“ bezeichnete, wurde 1943 bei einem alliierten Luftangriff auf das Werk zerstört. Nach Kriegsende wurde der Ort von der US-Armee als McNair-Kaserne und Übungsplatz für Militärparaden genutzt. Am 4. Juli 1976 feierten die amerikanischen Streitkräfte dort mit einer großen Feier den 200. Jahrestag ihres Unabhängigkeitstages.

Das Bezirksamt Steglitz bot anschließend dem General der Berlin-Brigade eine Umbenennung an. Seitdem trägt die rund 400 Meter lange und 70 Meter breite Straße den Namen „Platz des 4. Juli“. Zum Ende der amerikanischen Militärpräsenz in Berlin nahmen am 4. Juli 1994 der damalige US-Präsident Bill Clinton und Bundeskanzler Helmut Kohl an der Abschiedsparade teil.

Heute wird die Fläche von einer Motorradfahrschule genutzt. Außerdem befindet sich hier ein Parkplatz für Anwohner. In den ehemaligen Baracken des Telefunken-Werks, die damals nicht zerstört wurden, befinden sich heute komfortable Lofts mit Blick auf den Platz. Die Stele, von der es inzwischen 18 an verschiedenen historischen Orten im gesamten Bezirk gibt, soll die Erinnerung an einen wichtigen Teil der Berliner Geschichte aufrechterhalten. PH

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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