Ein wahrer Wurstexperte
Seit 50 Jahren steht Jörg Linke in seinem Currycontainer
Wenn in der Hranitzkystraße die Mittagszeit anbricht, ist ein kleines Phänomen zu beobachten. Wie aus dem Nichts bildet sich dann plötzlich eine kleine Menschenschlange vor einem Imbisscontainer. An den Stehtischen wird gemampft, man schaut in zufriedene Gesichter.
Jörg Linke ist dafür verantwortlich, dass sein Büdchen seit Jahrzehnten so gut besucht wird. Vor einem halben Jahrhundert eröffnete er „Jörgs Currycontainer“ – und der 74-Jährige steht heute immer noch täglich hinter der Theke. Ein Leben für die Currywurst. Jörg Linke kann das selber kaum fassen.
„Ich wollte zwei Jahre bleiben, fühlte mich hier eigentlich eingesperrt“, blickt er zurück. Viel Platz ist in seinem Container tatsächlich nicht. Auf engstem Raum wird gebrutzelt, geschnippelt und gerührt. Mit seinen vier Angestellten – seine frühere Lebensgefährtin Rita Paul und die Tochter Claudia Paul helfen auch mit – bildet Linke ein eingespieltes Team. Aus den geplanten zwei Jahren wurden 50. Angesichts der schwierigen Startphase eine unglaublich lange Zeit.
In den Sechzigern arbeitete Jörg Linke noch als Bäckermeister. Die Brötchen aus seiner eigenen Bäckerei in Mariendorf lieferte er an die Imbissbuden in der Umgebung aus. Irgendwann wurde er auf den Currywurststand in der Hranitzkystraße, Ecke Marienfelder Allee aufmerksam. Der Inhaber hatte erst drei Monate zuvor aufgemacht, wollte aber schon wieder hinschmeißen. Linke übernahm und verkaufte am 8. September 1968 seine erste Currywurst. „Ich habe geglaubt, dass ich das schaffe“, sagt er. „Anfangs hatte ich 35 Mark Tagesumsatz.“ Durch Mundpropaganda wurde „Jörgs Currycontainer“ immer bekannter. 1975 brannte er nach einem Defekt an der Eistruhe über Nacht mal komplett aus, doch Linke ließ sich davon nicht aufhalten und legte sich einen neuen zu. Heute ist er immer noch da. Nur mit guter, gleichbleibender Qualität sei das möglich. Sein Erfolgsgeheimnis: „Gute Wurst, gutes Ketchup und freundliche Mitarbeiter.“
Ketchup und Mayo rührt Linke nach eigenen Rezepten an, die er nicht preisgibt. Außerdem werden im Currycontainer frische Eintöpfe, Gulaschsuppe und Chili con Carne zubereitet. Das Kochen lernte er bei seiner Mutter. Verkaufsschlager ist und bleibt aber die Currywurst, die viele Fans findet. Von der nicht weit entfernten Daimlerstraße, so erzählt Linke, kommen regelmäßig Mitarbeiter von Mercedes-Benz, die gleich eine ganze Palette für die Belegschaft ordern. Rentner, die zu Hause nicht mehr für sich selbst kochen wollen, bringen leere Töpfe mit und lassen sich ganze Mahlzeiten zum Mitnehmen einschenken. „Einmal kam eine komplette Hochzeitsgesellschaft zum Currywurstessen vorbei. Denen hatte wohl das Hochzeitsessen nicht geschmeckt“, sagt Jörg Linke. Die Braut, die noch im weißen Hochzeitskleid am Tresen eine Wurst verputzt, da entsteht Kopfkino.
Die Würste bezieht Linke im Übrigen von der Fleischerei Heise aus Alt-Marienfelde. Ein- bis zweimal in der Woche isst er sie auch selbst noch. Obwohl ihm die Arbeit immer noch Spaß macht, plant er, den Currycontainer bald an die nächste Generation zu übergeben. „Meine Tochter Claudia wird ihn vermutlich weiterführen.“ Vorher wird aber erstmal das große Jubiläum gefeiert. Am 8. September, genau 50 Jahre nach der Eröffnung, gibt es bei „Jörgs Currycontainer“ alles etwas preiswerter. Ein Truck soll kühles Bier bringen. Wer sich vom Geschmack überzeugen möchte, kann sonst immer von Montag bis Sonnabend zwischen 8.30 und 22 Uhr vorbeikommen.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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