Nachhaltig wohnen für Fortgeschrittene
In Darmstadt wurde 2012 zum ersten Mal ein Wohnhaus aus den 70er Jahren so umgebaut. Ein Team um Karsten Ulrich Tichelmann, Professor für Tragwerksentwicklung und Bauphysik an der TU Darmstadt, entwickelte auf der Basis des über 40 Jahre alten Bestandsgebäudes das "Energie+Haus"."Ein Plusenergie-Standard von Wohnhäusern im Bestand wird im Wesentlichen durch die Verbesserung der Wärmedämmung der Außenbauteile und die Umstellung auf ein regeneratives Energiekonzept erreicht", erklärt Prof. Tichelmann. Wärmeverluste werden durch zusätzliche Dämmungen und Fenster mit hochwertiger Dreischeibenverglasung verringert. Durch größere Scheiben und Flächenfenster im Dach kann mehr Sonnenlicht das Haus aufwärmen.
"Bei der Energieerzeugung hat sich für Wohnhäuser im Bestand die Wärmepumpentechnologie in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach bewährt", erläutert Tichelmann. Die Wärmepumpe wird mit Strom betrieben, den das Gebäude erzeugt. Flächenheizungen sorgen für warme Zimmer. "Für den Altbaubestand gibt es sehr gute Systeme mit einer niedrigen Aufbauhöhe, die auf bestehende Fußböden und Wände aufgebracht werden können", sagt der Professor.
Diese Sanierung macht ein Gebäude unabhängig von fossilen Brennstoffen wie Gas oder Erdöl. Das Haus kann den Haushaltsstrom selbst erzeugen. "Die durchschnittlichen Kosten für Wärmeerzeugung, Wassererwärmung und Haushaltsstrom belaufen sich bei einem Wohnhaus für vier Personen auf etwa 2500 Euro im Jahr", rechnet Tichelmann vor. Legt man diesen Wert zugrunde, amortisieren sich die Kosten für die Sanierung eines Gebäudes mit dem Standard der heutigen Energieeinsparverordnung zum Plusenergiehaus nach zehn bis zwölf Jahren, bei steigenden Energiepreisen sogar schneller. Den selbst erzeugten Strom können die Bewohner dem öffentlichen Netz zur Verfügung stellen. Oder sie betreiben damit zum Beispiel ein Elektroauto.
"Wer den richtigen Fahrplan und das strategische Konzept hat, wird ohne erhebliche Mehrkosten im Vergleich zur regulären Altbausanierung auskommen", sagt Ulrich Zink, Architekt und Vorstandsvorsitzender des Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung (BAKA) in Berlin. Die Herausforderung ist laut Tichelmann eine architektonische: Die Sanierung zum Plusenergiestandard sei nur sinnvoll, wenn das Gebäude auch noch in den nächsten Jahrzehnten als attraktiver Wohnraum angenommen wird. Das kann etwa bei Nachkriegsbauten schwierig werden.
Und die Technik ist nicht alles. Die Bewohner müssen den Verbrauch von Elektrogeräten, Licht und Heizung genau kontrollieren. "Eine Plusenergiebilanz wird nur dann dauerhaft erreicht, wenn auch die Nutzer des Gebäudes beim effizienten Umgang mit der Energie mitwirken", sagt Viktor Grinewitschus, Professor für Technische Gebäudeausrüstung an der Hochschule Ruhr West. Er betreut ein derartiges Projekt in Neu-Ulm. Eine vorgebaute Fassade dämmt das Haus aus den 50er Jahren und bietet der Haustechnik Raum. "Eines ist sicher: Zukünftig werden noch eine Menge solcher Bestandsgebäude mit Plusenergiebilanz entstehen", prognostiziert Ulrich Zink.
Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.