Gefängnispfarrer P. Kamillus Heinz Drazkowski O.P. aus Moabit verstorben

Hier wird der Nachruf des Dominikanerklosters dokumentiert. Website der Dominikanergemeinde St. Paulus, Berlin:

P. Kamillus Heinz Drazkowski O.P., geboren am 27. Mai 1935 in Berlin, getauft 22. Juni 1935 in St. Paulus, Berlin, Priesterweihe am 4. August 1960 in St. Kajetan, München, gestorben am 27. März 2017 in Berlin

P. Kamillus wurde als einziger Sohn des Schuhmachermeisters Bruno Drazkowski und seiner Ehefrau Dora, geb. Müller, am 27. Mai 1935 in Berlin geboren und erhielt bei der Taufe in der Dominikanerkirche St. Paulus den Namen Heinz. Er wuchs in unmittelbarer Nähe des Klosters auf, das ihm in einer vom Krieg verwüsteten Umgebung zur Heimat und zum Ort des Friedens wurde. Nach dem Abitur entschloss er sich zum Ordenseintritt und wurde am 12. November 1954 in Warburg/Westf. eingekleidet. Nach seiner ersten Profess ein Jahr später wechselte er ins Studienhaus der deutschen Dominikaner nach Walberberg bei Köln. Am 4. August 1960 empfing er in der Münchner Theatinerkirche durch den aus Berlin stammenden Dominikanerbischof Werner Lesinski die Priesterweihe. Zwei Jahre später schloss er sein Studium mit dem Lektoratsexamen ab und absolvierte anschließend einen einjährigen Pastoralkurs in Augsburg. Im Februar 1963 kam er in den Konvent Heilig Kreuz nach Köln, von wo aus er als Volksmissionar an vielen Orten im In- und Ausland wirkte. Zwei Jahre später erfolgte die Versetzung nach St. Paulus in Berlin. Hier übernahm P. Kamillus die Stelle eines Kaplans an der Klosterpfarrei, fungierte als Lehrbeauftragter für Moraltheologie an der TPA Berlin in der Ausbildung angehender Religionslehrer und beteiligte sich weiterhin an vielen Orten bei Volksmissionen. Für einige Monate wurde er 1985 zum Kaplan an St. Ludwig in Berlin-Wilmersdorf bestellt, bevor er 1986 durch Kardinal Meisner zum „Seelsorger in den Justizvollzugsanstalten in Berlin (West)“ mit dem Schwerpunkt der JVA Moabit ernannt wurde. Bereits ein Jahr später wurde er „Federführender Pfarrer der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Geistlichen an den Justizvollzugsanstalten“, eine Ernennung die in den Jahren 1991 und 1999 erneuert wurde. Als Leiter dieser Arbeitsgemeinschaft engagierte sich P. Kamillus in nationalen wie internationalen Gremien und konnte so entscheidend die Gefängnisseelsorge im Erzbistum Berlin prägen, bis er 2007 aus Altersgründen schweren Herzens aus seinem Dienst ausschied – nach mehr als 20 Jahren! Als Anerkennung für sein Wirken mögen die wiederholte Berufung in den Priesterrat der Erzdiözese Berlin wie auch die Wahl zum stellvertretenden Dekan des Dekanates Berlin Mitte gewertet werden.

Das letzte Jahrzehnt verbrachte er im Berliner Dominikanerkloster, hielt Gottesdienste und Predigten in der St. Paulus-Kirche, nahm gerne Anfragen zu Aushilfen und zu Vorträgen wahr.

Noch im Jubiläumsjahr zum 800jährigen Bestehen des Predigerordens hielt P. Kamillus zwei Predigten über große dominikanische Persönlichkeiten, die hl. Rosa von Lima und den sel. Pater Jean Joseph Lataste, den „Apostel der Gefängnisse“ aus dem 19. Jahrhundert, für den er eine große Bewunderung hegte.

Seit dem Herbst 2016 bereiteten ihm Schwindel- und Schwächeanfälle zunehmend Probleme und führten zu mehreren Krankenhausaufenthalten, durch die seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedoch nicht gemildert oder behoben werden konnten. Er selbst nahm das alles nicht so ernst. Weitere Erkrankungen kamen hinzu, die eine immer größere Schwächung zur Folge hatten und seinem Leben am 27. März 2017 im Dominikus-Krankenhaus in Hermsdorf ein Ende setzten.

P. Kamillus war ein „echter Berliner“, mit allem, was in diesem Wort mitschwingt: ein Mann des klaren Wortes, aufrichtig, treu, nie nachtragend, verschmitzt, humorvoll, um einen Witz selten verlegen, ein geistreicher Prediger und fesselnder Erzähler, gelegentlich auch von Possen aus seinem Leben, von denen die meisten nicht erfunden waren. Häufig veranlasste er seine Zuhörer zum Schmunzeln, wie ein immer wieder aus seinem Munde zu hörender Satz belegen mag: „Ich glaube alles, was die katholische Kirche uns lehrt! Das Wahre und das Unwahre!“

Seine Mitarbeiter in der Gefängnisseelsorge beeindruckten seine Kontaktfreudigkeit und seine Kollegialität genauso wie seine juristisch-fachliche Kompetenz und sein famoses Gedächtnis. Er war Georgsritter und Rundenmeister der Pfadfinderschaft St. Georg und seit 1963 auch aktives Mitglied und Verbindungsseelsorger der KDStV Borussia-Saxonia zu Berlin, deren Veranstaltungen und Feste er mit großer Leidenschaft besuchte und mitgestaltete. Die geselligen Runden mit einem „ordentlichen Essen“, etwas „Feinem zum Trinken“ und einer „nicht zu billigen“ Zigarre fanden sein Wohlgefallen.

Zeit seines Lebens nahm P. Kamillus einen Grundsatz seines Ordens, das „semper studere“, ernst. Er war ein Freund der Bücher, sein Interesse galt der Exegese der Heiligen Schrift und den alten wie modernen Sprachen, von denen er – auch aus familiären Gründen – „alles Englische“ besonders liebte. Vor allem historische wie politische Themen hatten es ihm angetan, nicht zuletzt die Geschichte des von ihm so geliebten Erzbistums Berlin im 20. Jahrhundert, in NS- und DDR-Zeiten, beschäftigte ihn sehr.

Wenn es ihm seine Verpflichtungen erlaubten, ging er einer seiner Passionen nach: er spielte Schach in der Mannschaft der Juristen. Dieses Hobby stand allerdings im Schatten eines anderen: P. Kamillus war ein Fan von Opern, Filmen und Theateraufführungen. Selten verging eine Woche, in der er nicht an einer Veranstaltung teilnahm, auch auf seinen vielen Reisen in der ganzen Welt. Im Laufe der Jahre wurde er zu einem exzellenten Fachmann in diesen Bereichen, ob es sich nun um die Sänger und Darsteller handelte, die Orchester, die Inszenierungen und die Kritiken; keine Frage, die man ihm diesbezüglich vorlegte, blieb ohne prompte und präzise Antwort. Noch in seinen letzten Tagen bat er darum, ihm CDs ins Krankenhaus zu bringen, die er noch einmal hören wollte.

P. Kamillus war auch ein „echter Moabiter“, aufgewachsen in der Bredowstraße 44, im Dunstkreis von St. Paulus. Im Alter von fünf Jahren lebensgefährlich an Diphterie erkrankt, hatten ihn die Ärzte bereits aufgegeben. Seine Eltern ließen Messen für seine Genesung in der Klosterkirche feiern, und er wurde gesund. So wurde St. Paulus zu einem besonderen Ort für ihn und war es für mehr als 50 Jahre seines priesterlichen Wirkens. P. Kamillus gehörte einfach, wie er einmal sagte, mit „zum Inventar“ des Klosters, ohne dass er „in einer Liste erfasst“ ist. Mit diesen letzten Worten mag er Recht behalten, sicher ist er in keiner Liste „erfasst“, gleichwohl in den dankbaren Erinnerungen und den Herzen vieler Menschen von Sankt Paulus, nicht zuletzt seiner Mitbrüder.

P. Kamillus erzählte gelegentlich davon, wie er vor vielen Jahren das Sterben eines Mitbruders aus dem Orden miterlebte. Angesichts seines nahen Todes soll dieser gesagt haben: „Nun bin ich aber gespannt auf das, was gleich passiert.“ Und jedes Mal lächelte P. Kamillus, wenn er diesen Satz ausgesprochen hatte.

Viele Male unternahm er Wallfahrten nach Fátima, einen Ort, den er besonders liebte. Nun ist er im Jubiläumsjahr der Erscheinungen heimgerufen worden. Wir dürfen uns trösten lassen in der Hoffnung, dass die „Senhora do Rosário“ P. Kamillus die Bitte erfüllt hat, die er ihr so oft beim Gebet des Rosenkranzes vorgetragen hat: Bitte für uns, jetzt und in der Stunde unseres Todes!

P. Michael M. Dillmann O.P.

Autor:

Olaf Lezinsky aus Spandau

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