Neuköllner Psychologe sieht Jugendliche aus dem Bezirk in Gefahr
Vor einem Jahr verlor eine türkischstämmige junge Frau aus Neukölln ihren 30-jährigen Ehemann. Er nahm sich das Leben, weil er aufgrund einer Erkrankung nicht in den Krieg nach Afghanistan ziehen konnte. Kazim Erdogan, Psychologe beim bezirklichen psychosozialen Dienst und Vorsitzender des Vereins Aufbruch Neukölln, hält das nicht für einen Einzelfall: "Vor allem in Neukölln ist die Gefahr, radikalisiert zu werden, sehr groß", sagt Erdogan. "Viele Jugendliche brechen die Schule ab, sie haben keine Ausbildung, keinen Job und damit auch keine Perspektive."
Der Leiter einer türkischen Männergruppe diskutiert seit Monaten mit seinen Teilnehmern dieses Thema. "Wer sich ausgegrenzt fühlt und kein Selbstwertgefühl hat, wird zur leichten Beute für radikale islamische Kreise." Was in den vielen Neuköllner Moscheen gelehrt wird, sei auf den ersten Blick oft nicht genau auszumachen. "Einige werben aber ganz offen Kämpfer für den Dschihad an", sagt Erdogan.
Angeworbene würden sich im Laufe ihrer Radikalisierung aus vertrauten Kreisen, wie der Familie, zurückziehen. "Darum ist es wichtig, dass Eltern, Geschwister und Freunde auf solche Anzeichen achten." Außerdem sollten sie sich direkt in den Moscheen und Koranschulen über die Inhalte, die dort vermittelt werden, informieren. "Aus Scham schweigen die Familien oft. Aber die Probleme bleiben", sagt Erdogan. Beim Neuköllner Jugendamt sind nach Angaben von Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) namentlich zwar noch keine jungen Dschihadisten bekannt. Der Stadtrat plant dennoch eine Veranstaltungsreihe zum Thema.
Autor:Sylvia Baumeister aus Neukölln |
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