Geschlechterdebatte: Die gestiefelte Katze im Theater Zitadelle
So genau hat der Müllersohn nicht hingeschaut. Nachdem ihm sein sterbender Vater den Kater vermacht hat, sitzen Mensch und Tier ein wenig ratlos beieinander. Schließlich hatte der Vater die ertragreiche Mühle und den Gewinn versprechenden Esel an die älteren Brüder vererbt, und der jüngste Sohn weiß nicht so recht, was er mit dem Stubentiger anfangen soll. In der von den Brüdern Grimm veröffentlichten Fassung denkt er sogar darüber nach, das Tier zu töten, und sich aus dem Fell Handschuhe machen zu lassen. Soweit kommt es in der von Regisseur Pierre Schäfer und dem Schauspieler und Puppenspieler Daniel Wagner erarbeiteten Version nicht. Die Katze verblüfft den Müllersohn gleich dreifach: Erst erfährt er, dass die Katze sprechen kann, dann dass sie kein Kater ist, und schließlich, dass sie weiß, wie man im Märchen Karriere macht.
Die Frage nach Kater oder Katze spielt im weiteren Verlauf der gut einstündigen Geschichte keine Rolle mehr. Wie in den alten Vorlagen bekommt das Tier seine Stiefel, macht mit seinen Jagdfähigkeiten Eindruck beim König, der verrückt ist nach Rebhühnern, und verkuppelt sein Herrchen mit der Prinzessin.
Daniel Wagner bewegt dafür Puppen in fast jeder Größe. Die teils leichte und manchmal derbe Ironie, mit der er die Märchenwunder witzig hinterfragt, kommt beim Publikum gut an. Er verpasst vor allem der Katze und sich selbst als Müllerssohn viel Berliner Mutterwitz, der schon Kinder ab dem fünften Lebensjahr fasziniert, aber auch deren Eltern.
Sie alle lernen, dass Theater beim Hinterfragen von angeblich unumstößlichen Fakten hilft. So macht nicht nur die Katze als gestiefelter Kater einen guten Job, sondern auch der schusselige Tod, der zu Beginn dem Vater begegnet. Das Miniskelett wirkt nicht so sehr furchteinflößend, sondern eher wie ein freundlicher, durch die eigenen Schwächen sympathischer Mitspieler.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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