Kopflose Zeugen der Geschichte

Bei der Restaurierung der beschädigten Reliefs mussten die fehlenden Partien "überspielt" werden. | Foto: KEN
  • Bei der Restaurierung der beschädigten Reliefs mussten die fehlenden Partien "überspielt" werden.
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„Frankreich war die Berliner Siegessäule aus naheliegenden Gründen ein besonderes Ärgernis“, ist diplomatisch auf einer Informationstafel im unterirdischen Gang zum Denkmal auf der Mittelinsel des Großen Sterns zu lesen. Besonders gelitten haben unter der französischen Verärgerung die Bronzereliefs am Sockel der Siegessäule. Die Spuren der Geschichte nach 1945 sind deutlich. 

„Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 hisste die französische Siegermacht an der Viktoria die Trikolore, demontierte die Sockelreliefs und verbrachte sie nach Paris“, ist weiter auf der Informationstafel vermerkt. 1946 wollten die Franzosen sogar die gesamte Siegessäule abreißen. Die Alliierte Kommandantur legte ihr Veto ein. Die Stellen, an denen bislang die Reliefs angebracht waren, vermauerte man zunächst provisorisch. Später verschloss man sie mit Granitplatten.

Die vier Reliefs zeigen die drei Einigungskriege und den siegreichen Einzug deutscher Truppen in Berlin 1871 nach dem Deutsch-Französischen Waffengang. Sie wurden „mithilfe von Panzern aus dem Sockel gerissen“, erinnert sich ein Zeitzeuge.  

Erst gelten sie als verschollen. Nachforschungen des Auswärtigen Amts ergeben, dass drei Reliefs im Hof des Armeemuseums in Paris lagern. Eines, über den „Deutschen Krieg“, 1866 gegen Österreich, befindet sich in der Spandauer Zitadelle. Für eine Rückgabe der Kriegstrophäen stellt Paris zuerst eine Bedingung: Davids Berliner Gemälde „Napoleon überquert die Alpen“ kehrt nach Frankreich zurück. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz lehnt ab.

1984 ist François Mitterand französischer Staatspräsident. In Verdun verharrt er mit Kanzler Helmut Kohl minutenlang händehaltend im Gedenken an die Opfer einer der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs und gibt die Reliefs bedingungslos zurück. 1987, zur 750-Jahr-Feier der Stadt, kehrt das letzte feierlich nach Berlin zurück.

Sie seien in einem sehr schlechten Zustand gewesen, sagt ein Gewährsmann von damals, zerrissen, gespalten und verbogen. Teile fehlten ganz und ebenso zahlreiche Figurenköpfe. Diese seien mit dem Schweißbrenner herausgeschnitten worden. Die Bronze sei zum Fließen gebracht und so die Köpfe abgetrennt worden. Sie fehlen bis heute.

Zum Stadtjubiläum sollen die Reliefs restauriert und wieder am Sockel der Siegessäule angebracht werden. Diese Aufgabe ist nicht einfach: Es gilt, die fehlenden Partien in den Reliefs ästhetisch ansprechend zu ergänzen. Die beauftragte Bildergießerei Kraas denkt an flache Bronzeplatten. Doch wie fügt man diese organisch an ein Relief an?

Udo Arnold, den wir schon in einer früheren Kiezkompass-Geschichte kennengelernt haben, weiß damals Rat. In über 100 Stunden Arbeit baut er aus Tischlerplatten flache Holzmodelle. Aus handgefertigten Profilen fügt er sie an die Kanten und Hohlräume der abrupt endenden Reliefszenen an. „Das war noch relativ einfach“, erinnert sich Udo Arnold.

Im Hof der Gießerei stellt der Holzkünstler mit wasserfest verleimtem Sperrholz die Anschlüsse an die Original-Reliefs her. Kraas macht davon Abgüsse, die dann eingepasst werden. Das gelungene Ergebnis ist heute an der West- und Südseite des Säulensockels zu sehen.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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