Rembrandt hat ihm über die Schulter geschaut: Zum Tod von Jan Kelch am 25. September 2017

Rembrandt, Selbstbildnis mit Samtbarett, 1634, Detail, Gemäldegalerie Berlin. Katalog Rembrandt. Foto: Anne Schäfer-Junker
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  • Rembrandt, Selbstbildnis mit Samtbarett, 1634, Detail, Gemäldegalerie Berlin. Katalog Rembrandt. Foto: Anne Schäfer-Junker
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1939 als Sohn eines Opernregisseurs geboren, war ihm ein Leben im Kunst-Kosmos beschert. Er wurde der deutsche Rembrandt-Experte und Hüter der europäischen Malerei vom frühen Mittelalter bis um 1800 in der Berliner Gemäldegalerie, entgegen seinen ersten Lebensvorstellungen, Film-Architekt zu werden. 1971 begann er als Kurator in der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem und wurde nach dem Mauerfall von 1996 bis 2004 Direktor dieser berühmten Galerie Alter Meister.

Mit der großen Rembrandt-Ausstellung, Herbst 1991, im Alten Museum Am Lustgarten hatte er deutlich seinen streitbaren wissenschaftlichen Anspruch formuliert: mehr als 300.000 Kunstfreunde besuchten in dieser Zeit das Alte Museum, bevor die Ausstellung dann im Rijksmuseum Amsterdam und in der Londoner National Gallery für große Anerkennung sorgte.

Am 11. Juni 1998 eröffnete die Gemäldegalerie*** am Kulturforum Potsdamer Platz. In einem riesigen Kraftakt, nicht ohne Widersprüche und Debatten (bis heute), wurden die Ost- und West-Berliner Gemäldegalerie, unter den Generaldirektoren Wolf-Dieter Dube und Günter Schade vereint. Jan Kelch war es wichtig, auf den systematischen Charakter dieser großen Sammlung hinzuweisen. Im Gegensatz zu einer Liebhabersammlung sind hier wirklich alle bedeutenden europäischen Strömungen der Malerei vorhanden. „Als wir 1998 die Gemäldegalerie am Kulturforum eröffneten, ging auch eine der vorzüglichsten Planungsphasen zu Ende, die ich in meiner Museumszeit erlebt habe. Architekten und Kunsthistoriker hatten zusammen einen Bau geschaffen, der wirklich in Übereinstimmung mit den Strömungen der Malereigeschichte entstanden war. Und aus dem Bode-Museum (Ost) und der Gemäldegalerie Berlin-Dahlem (West) kamen die beiden Teile einer Sammlung zueinander, die wie zwei Zahnräder ineinandergriffen. Plötzlich erkannte man die Systematik der Sammlung, die von Geschmacksströmungen weitgehend unabhängig nach kunsthistorischen Gesichtspunkten zusammengestellt worden war.“

Bereits am 7. September 1997 verabschiedete sich die Gemäldegalerie in Dahlem von ihren Besuchern für den Umzug ans Kulturforum. Unter der Regie von Jan Kelch fand ein vortragsreiches Abschiedsfest statt, dass alle Sammlungsinhalte und Nuancen der Forschungsarbeit an Museen reflektierte. Er und Dr. Irene Geismeier trugen ihre Vorstellungen von Perspektiven und Geschichte vor. Herausgehoben wurden nicht nur die Rembrandt’s, Tizian’s, Rubens’, Watteau’s und Giotto’s, sondern alle bedeutenden Meisterwerke der Galerie, wie beispielsweise der Wurzacher Altar.

Die Gemäldegalerie am Kulturforum wurde ein Kunstort, der seinesgleichen sucht, nachdem bereits 1994 das Kupferstichkabinett mit seinen riesigen Sammlungskonvoluten an Zeichnungen und Druckgraphik am Kulturforum eingezogen war. Noch historisch bedingt geteilt, in Ost- und West-Berlin – Staatliche Museen zu Berlin und Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz – begann nach der Amtsübernahme aus den Direktoren-Händen von Henning Bock 1996 für Jan Kelch sein Lebenswerk: die Zusammenführung der Sammlungen am Kulturforum. Zusammen mit Dr. Irene Geismeier, der Direktorin der Gemäldegalerie im Bode-Museum auf der Museumsinsel, und mit einem hoch motivierten Museumsteam der Kuratoren und Sammlungsmitarbeiter, schuf er einen - seinen - Kunst-Kosmos.

Welch überwältigendes Interesse die Kunstwelt diesem neuen Konzept und seiner Präsentation zollte, zeigte sich gleich beim Start : Die Gemäldegalerie hatte bei ihrer Eröffnung am 11. Juni 1998 und am Sonntag 14. Juni 1998 rund 14.000 Besucher. Im gesamten Jahr 1998 wurden es in den Museen am Kulturforum 336.131 Kunstfreunde aus aller Welt. Diese Tendenz hielt im Wesentlichen an, entgegen allen Unkenrufen und Scheinwahrnehmungen.

Alle bisherigen Direktoren, zuletzt bis 2016 Prof. Dr. Bernd W. Lindemann, haben die 1797 mit Alois Hirt begonnene Geschichte der Gemäldegalerie, und 1830 mit der Eröffnung des Alten Museums von Karl Friedrich Schinkel am Berliner Lustgarten, fortgeschrieben. Für Prof. Dr. Jan Kelch, den „Gründungsdirektor“ von 1998, galt der Rembrandt-Saal als das Herzstück der Sammlung. Noch im Ruhestand war er „seiner“ Gemäldegalerie verpflichtet: In der großen Rembrandt-Trilogie-Ausstellung von Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett am Kulturforum Potsdamer Platz „Rembrandt – Genie auf der Suche | Rembrandt – Ein Virtuose der Druckgraphik | Rembrandt – Der Zeichner“ hält er im Rahmen einer Vortragsreihe am 5. 10.2006 als Direktor a. D. und als Kurator zum Thema „Rembrandt – Genie auf der Suche“ einen bedeutenden Vortrag.

"Rembrandt – Wissenschaft auf der Suche", im November 2006 leitet und moderiert er beim Internationalen Symposium die Sektion III: Referenten und Diskussionsteilnehmer aus aller Welt bildeten die Créme de la Crème der Rembrandt-Forschung. Noch im Juni 2008, zur 10-Jahrfeier der Gemäldegalerie führt Prof. Dr. Jan Kelch zu „Rembrandt. Sammlung und Forschung“ durch das international berühmte Haus.

Jan Kelch zu begegnen war etwas Großartiges. Er verkörperte die Superlative, wie „Insel der Seligen, Alhambra des Nordens, Konzertsaal für das Auge, Marathon der Sinne, Berliner Louvre, Triumph des Lichts“ obwohl er sich in nüchterner Art auch über Klischees hinwegsetzen konnte. Und heute, im hektischen Berlin findet die Gemäldegalerie mehr und mehr ihre Sinnstiftung auch als Ruheort zu geistiger Erbauung und zur Entschleunigung. Diese ist Voraussetzung für Bildung.

Die sorgsame Pflege dieses kostbaren Kulturgutes ist auch der Lebenszeit von Jan Kelch zu verdanken. Ich erinnere mich gern an viele Begegnungen mit ihm – an seine Kennerschaft und an seine Hochachtung vor der Freiheit des Forschens.

Anne Schäfer-Junker, Französisch Buchholz (anne.junker@gmx.de)

*** Die Gemäldegalerie besitzt eine weltweit bedeutende Sammlung europäischer Malerei vom 13. bis 18. Jahrhundert. Meisterwerke aus allen kunsthistorischen Epochen, darunter Gemälde von Jan van Eyck, Pieter Bruegel, Albrecht Dürer, Raffael, Tizian, Peter Paul Rubens, Rembrandt und Jan Vermeer van Delft sind hier ausgestellt. Vor allem die deutsche und italienische Malerei des 13. bis 16. sowie die niederländische Malerei des 15. bis 17. Jahrhunderts lassen sich hier ausgezeichnet bewundern. Seit 1998 sind die Gemälde der Sammlung am Berliner Kulturforum zu sehen.

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

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