Wer war Bruno Altmann?
Schülerinnen forschen über einen Britzer / Stolpersteinverlegung am 26. November

Judith Wamser, Anna Sophie Lacker, Evan Sedgwick-Jell und Chiara Brocco vor dem Haus Dörchläuchtingstraße 4, wo Dr. Bruno Altmann zur Untermiete wohnte. | Foto: Schilp
  • Judith Wamser, Anna Sophie Lacker, Evan Sedgwick-Jell und Chiara Brocco vor dem Haus Dörchläuchtingstraße 4, wo Dr. Bruno Altmann zur Untermiete wohnte.
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Am 26. November wird vor dem Haus Dörchläuchtingstraße 4 ein Stolperstein für Bruno Altmann verlegt. Zu verdanken ist das drei Schülerinnen des Albert-Einstein-Gymnasiums: Sie haben mehr als ein halbes Jahr lang geforscht, um möglichst viel über das Leben und Sterben des Mannes zu erfahren, der im Mai 1934 aus der Hufeisensiedlung flüchtete.

Den Anstoß zu dem Projekt gab Judith Wamser. Von der Anwohnerinitiative „Hufeisern gegen Rechts“ hatte sie erfahren: Es gibt Spendengelder für neue Stolpersteine, die an Opfer der Nazis erinnern, aber nicht genug Personen, die sich auf Spurensuche begeben. „Ich dachte: Das passt doch in unseren Geschichte-Leistungskurs“, so Wamser.

Sie knüpfte Kontakte – unter anderem zu Evan Sedgwick-Jell, dem Leiter der Jugendeinrichtung Anton-Schmaus-Haus. Der hatte zuvor in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen gearbeitet, kannte sich dort im Archiv aus und suchte nach Namen von Britzern. Auch in Unterlagen der israelischen Gedenkstätte Yad Vahem stöberte der Kurs online. Schließlich hatten die Schülerinnen mehrere Namen zur Auswahl.

Herausforderung Recherche

„Wir wollten wirklich recherchieren und so ziemlich bei Null anfangen“, sagt Wamser. Deshalb sei die Wahl auf Dr. phil. Bruno Altmann gefallen, über den wenig bekannt war. Die Gruppe der Aktiven schrumpfte inzwischen langsam. Schließlich blieb aber ein harter Kern übrig – mit dabei Evan Sedgwick-Jell, der das Projekt begleitete und voll des Lobes über das Engagement und die selbstständige Arbeit der Mädchen ist.

Der nächste Schritt war, alle möglichen Archive und Organisationen anzuschreiben, um mehr über Bruno Altmann herauszufinden. Den größten Erfolg hatten die Schülerinnen bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie war im Besitz von 24 handschriftlichen Briefen des Sozialdemokraten Altmann. „Viel Spaß damit“, lautete der leicht ironische Kommentar des Stiftungsmitarbeiters, der die Scans der Schreiben schickte.

Was damit gemeint war, wurde schnell klar: Ein Teil der Briefe war in Sütterlin verfasst, ein Teil in „normaler“ Schrift, aber sehr schwer lesbar. Jetzt mussten Wamsers Großmutter und der Geschichtslehrer ran. Die Transkription gelang. Und was steht in den Briefen? „Überwiegend bittet Bruno Altmann seine Genossen um Geld, darum, Artikel von ihm zu drucken, er hatte keine Arbeit und war ja war auch schon über 50“, erzählen die Schülerinnen.

Der Schriftsteller war 1934 in die Tschechoslowakei geflüchtet, bekam aber keinen Pfennig aus den Exil-Kassen. Dass er Sozialdemokrat und Jude war, die Nazis sein Buch „Vor dem Sozialistengesetz“ öffentlich verbrannt hatten und er Hausdurchsuchungen und Bespitzelungen hinter sich hatte, reichte offensichtlich nicht aus, um ihm Unterstützung zu gewähren. „Aus seinen Briefen konnten wir erfahren, wie hart das Leben im Exil gewesen sein muss, wie verzweifelt er war“, berichtet Wamser.

Von Nazis ermordet

Ende 1936 zog Altmann nach Frankreich, wahrscheinlich weil er hoffte, dort journalistisch arbeiten zu können. Sein letzter Brief stammt aus dem Frühjahr 1940. Dann wurde er in ein südfranzösisches Internierungslager gebracht. Eine Deportationsliste beweist, dass er 1943 zum KZ Majdanek gebracht wurde. Laut Wikipedia-Eintrag ermordeten ihn dort die Nazis.

Doch das glauben die Britzer Forscherinnen nicht, auch, weil sie bereits andere Behauptungen der Online-Enzyklopädie widerlegen konnten. Vom Museum Majdanak erfuhren sie, dass dort nur wenige Gefangene des Transports, zu dem auch der Britzer Philologe gehörte, aussortiert worden waren: die „arbeitsfähigen“. Bruno Altmann mit seinen 64 Jahren habe sicher nicht dazugehört, so die Abiturientinnen. Weil der Transport weiter zum Vernichtungslager Sobibor führte, gehen sie davon aus, dass Altmann dort oder auf dem Weg dorthin den Tod gefunden hat.

Ihre Recherche begreifen die Mädchen nicht zuletzt als ein Zeichen gegen Rechtspopulismus und Antisemitismus, die ihnen tagtäglich auch vor der eigenen Haustür begegneten, sagen sie. Und Spaß habe es obendrein gemacht. „Das interessanteste Projekt, bei dem ich je mitgemacht habe“, so Wamser.

Wer am Montag, 26. November, um 9 Uhr zur Stolpersteinverlegung kommt, kann die drei Engagierten kennenlernen. Und noch viel mehr über Bruno Altmann erfahren, denn die Schülerinnen haben über ihn eine knapp 30-seitige und sehr lesenswerte Broschüre erstellt.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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