Professor Dr. Stephan Wagner über die Bedeutung von Schulungen im Ehrenamt
Berlin. Professor Dr. Stephan Wagner ist Geschäftsführer der Paritätischen Akademie Berlin, der Fort- und Weiterbildungsabteilung der Hochschule für angewandte Pädagogik. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Stefanie Roloff betont er die große Bedeutung von Fort- und Weiterbildung im Ehrenamt.
Herr Professor Wagner, warum sind Qualifizierungsmaßnahmen im Ehrenamt wichtig?
Stephan Wagner: Gerade zu Beginn ihrer Tätigkeit legen Ehrenamtliche einfach los. Diese Kraft des Anfangs sprüht vor Energie und Erfindergeist, birgt aber auch die Gefahr des Scheiterns. Wenn sie weitermachen wollen, müssen sie sich professionalisieren, weil sie zum Beispiel auf einmal mit sehr viel Geld umgehen müssen. Zudem wird heute meist spezialisiertes Ehrenamt nachgefragt. Nehmen wir die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe. Hier sind ganz konkrete Fähigkeiten, wie bestimmte Sprachkenntnisse, gefordert.
In welchen Bereichen des Ehrenamts werden solche Lehrgänge angeboten?
Stephan Wagner: Es gibt überall dort Qualifizierungen, wo eine gezielte Vorbereitung auf eine ehrenamtliche Tätigkeit erforderlich ist, wie im Hospizbereich oder der Aids-Hilfe. Aber es geht auch um die Vermittlung von allgemeinen praktischen Fähigkeiten, wie den Umgang mit Software.
Wie umfangreich sind solche Fort- und Weiterbildungen?
Stephan Wagner: Wenn ich nur einen kleinen Werkzeugkasten brauche zu grundlegenden Fragen, wie „Wo und wie spreche ich Leute an?“, reicht ein ein- bis zweitägiges Grundlagenseminar. Wenn es um die Führung von Ehrenamtlichen geht, ist eine Weiterbildung im Ehrenamtsmanagement sinnvoll. Diese dauert mehrere Tage.
Wie finden Ehrenamtliche die richtigen Angebote für sich?
Stephan Wagner: Eine gute Quelle ist nach wie vor das Internet. Man kann zum Beispiel bei den einzelnen Wohlfahrtsverbänden, wie der Caritas oder der AWO, online nachschauen, wer was anbietet. Zudem empfehle ich die kostenlose Ehrenamtsbibliothek im Internet, die von der Paritätischen Akademie entwickelt wurde und inzwischen von der Stiftung Gute Tat betrieben wird.
Müssen Schulungen im Ehrenamt selbst bezahlt werden?
Stephan Wagner: In der Regel übernimmt die Organisation, für die der Ehrenamtliche tätig ist, die Kosten. Vieles ist auch nicht so teuer. Für Tagesseminare werden um die 50 bis 80 Euro verlangt. Einige Träger bieten auch günstigere, subventionierte Schulungen an. Ein mehrtägiger Kurs kann aber schon mal 500 bis 1000 Euro kosten.
Wo sehen Sie noch Defizite und Handlungsbedarf?
Stephan Wagner: Besonders im Sozialbereich wird oft nicht offen ausgesprochen, dass ganze Bereiche von Ehrenamtlichen geleitet werden. Das sind dann etwa die Vorstände der Vereine oder der Organisationen. Sie tragen viel Verantwortung und haben oft großen Qualifizierungsbedarf. Zudem wird häufig übersehen, dass Hauptamtliche oft erst lernen müssen, wie man mit Ehrenamtlichen umgeht.
Wie wird sich die Ausbildung im Ehrenamt entwickeln?
Stephan Wagner: Vor allem im Sozialbereich stehen wir vor großen Veränderungen. Noch nie waren hier so viele Menschen wie jetzt ehrenamtlich tätig und es gab auch noch nie einen so hohen Bedarf an Aus- und Weiterbildung. Das Ziel sollte aber nicht sein, Ehrenamtliche in Hauptamtliche zu verwandeln.
Autor:Stefanie Roloff aus Friedenau |
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