Keine Bewegungsfreiheit
Rollstuhlfahrerin sitzt seit vier Monaten wegen eines kaputten Aufzugs in Wohnung fest
"Im Moment kann ich nur heulen", schrieb Sylvia Dornbusch zuletzt. „Ich weiß nicht, wie ich das noch fast ein Vierteljahr aushalten soll“.
Sylvia Dornbusch hat eine schöne Wohnung im vierten Stock eines Hochhauses am Strausberger Platz. Aber auch im angenehmsten Lebensmittelpunkt fällt einem irgendwann die Decke auf den Kopf, wenn er nie verlassen werden kann. So wie in ihrem Fall. Mittlerweile seit fast vier Monaten ist die Rollstuhlfahrerin an ihre vier Wände gefesselt. Genau seit dem 13. Oktober 2018. An diesem Tag kam es in ihrem Wohnhaus zu einem Brand, bei dem der Aufzug beschädigt wurde. Seitdem ist der Fahrstuhl außer Betrieb. Und wird es, nach aktuellen Informationen, noch bis zum April sein.
Sylvia Dornbusch wollte am 13. Oktober eigentlich ein Konzert besuchen. Daraus wurde nichts. Es war nur der erste von vielen Terminen, die sie seither ausfallen lassen musste. Arztbesuche können ebenso wenig wahrgenommen werden, wie auswärtige Treffen mit Freunden und Bekannten. Auch die Weihnachtstage waren auf Feiern in der eigenen Wohnung reduziert. Eine geplante Reise Ende Dezember fand ebenfalls nicht statt. Und in der kalten Jahreszeit verbietet sich auch ein längerer Aufenthalt auf dem Balkon. Immerhin wird sie zumindest mit dem täglichen Bedarf versorgt. Dafür sorgt ihr Lebensgefährte.
Kaum Informationen von der Hausverwaltung
Neben ihren eigenen Problemen beklagt nicht nur Sylvia Dornbusch die unzureichende Informationspolitik der Hausverwaltung. Für die ist die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, beziehungsweise ihre Tochtergesellschaft Wobege verantwortlich. Zuerst hätte es nur einen Hinweis auf den Brandschaden gegeben. Die Frage, wann der Aufzug wieder funktionstüchtig ist, blieb erst einmal unbeantwortet. Selbst direkte Briefe oder E-Mails an die Hausveraltung hätten wenig gebracht, bestätigt auch eine Nachbarin, die bei Sylvia Dornbusch mit am Tisch sitzt. Vor einigen Wochen kam dann die Mitteilung, es seien noch Fragen mit der Versicherung zu klären. Und vor gut zwei Wochen dann die Nachricht, dass der Einbau ab März stattfinden werde. "Leider" erst zu diesem Zeitpunkt.
Aber warum dauert das so lange? Nachdem klar gewesen sei, dass der Aufzug nicht mehr zu reparieren war, seien die Fahrstuhlfirma sowie die Versicherung informiert worden, erklärt Stadt-und-Land-Sprecher Frank Hadamczik auf Nachfragen der Berliner Woche. Bereits im Oktober und November habe es mehrere Termine mit Sachverständigen vor Ort gegeben. Anfang Dezember wären sowohl der Wobege, als auch der Versicherung das Angebot für eine umfangreiche Reparatur beziehungsweise Erneuerung vorgelegen. Trotz mehrerer Nachfragen sei die Deckungszusage der Versicherung aber erst Mitte Januar eingegangen. Erst danach konnte der Auftrag erteilt werden.
Mietminderung in Aussicht gestellt
Allerdings müssten die notwendigen Bauteile zunächst bestellt werden, hieß es in einem Schreiben an die Mieter. „Da es sich hierbei um keine Lagerware handelt, kann die Lieferzeit bis zu acht Wochen dauern.“ Die eigentlichen Arbeiten werden mit maximal fünf Wochen veranschlagt.
Auch wenn der Einbau wirklich bis April abgeschlossen ist, bedeutet das für Sylvia Dornbusch mindestens zwei weitere Monate ein Leben nur in ihrer Wohnung. Auch wenn sie dort nicht untätig ist. Inzwischen organisiert sie eine Unterschriftenaktion. Dort wird neben verbindlichen Informationen auch eine Mietminderung für alle Bewohner verlangt.
Was das Reduzieren des Wohnungsentgeldes betrifft, zeigte auch der Stadt-und-Land-Sprecher Entgegenkommen. „Die Wobege wird sich zusätzlich dafür einsetzen, dass die Eigentümer den Mieterinnen und Mietern für die Zeit ohne Personenaufzug eine Mietminderung einräumt“, formulierte er in einer Mail an die Berliner Woche. Darüber hinaus werde geprüft, ob es über das Tochterunternehmen "Sophia" (Soziale Personenbetreuung - Hilfen im Alltag) weitere Unterstützung geben kann. „Einer auf den Rollstuhl angewiesenen Person“, womit wohl Sylvia Dornbusch gemeint ist, wäre außerdem die Beauftragung durch einen Krankentransport oder eine externe Hebebühne angeboten worden, „dies war aber bislang nicht gewollt“. Da der jetzige Zustand noch andauern wird, werden die Offerten erneut unterbreitet.
Sylvia Dornbusch stellt solche Angebote in Abrede. Sie habe sie bisher nicht bekommen. Vielmehr sei ihr Vorschlag, eine Treppensteighilfe zu mieten, zumindest bis Redaktionsschluss unbeantwortet geblieben. Natürlich werde sie eine solche Unterstützung annehmen. Aktuell müsste sie beispielsweise dringend zum Zahnarzt. Und gerne würde Sylvia Dornbusch einfach mal wieder ins Freie.
Wohl kein Einzelfall
Probleme mit über Wochen kaputten Aufzügen und dadurch festsitzenden Mietern scheint es auch in anderen Häusern zu geben. Der Berliner Mieterverein berichtete am 28. Januar von einem Fall in der Ritterstraße. Dort sei der einzige Fahrstuhl von September bis Ende November 2018 an insgesamt 61 Tagen defekt gewesen. Im Dezember hätte er überhaupt nicht funktioniert, im Januar bisher nur vier Tage. Davon betroffen war laut Mieterverein unter anderem ein 82- und 92-Jahre altes Ehepaar, das im siebten Stock wohnt. Auf entsprechende Schreiben hätte die Hausverwaltung aber nicht reagiert.
„Der mietrechtliche Weg zu einem funktionierenden Aufzug ist beschwerlich und langwierig“, sagt Mieterverein-Geschäftsführer Rainer Wild. Wenn Eile geboten sei, bräuchten Mieter die Unterstützung der Wohnungsaufsicht. Doch wegen Personalmangel und eingeschränkten Befugnissen könnten sie in der Regel auch hier nicht auf rasche Abhilfe hoffen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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