"In der Bar wirste bedient, in der Kneipe betreut"
Bei Mike Bahlmann hat der Zapfhahn immer Lauf

Bei Mikes ist die Welt noch in Ordnung: Mike Bahlmann (Mitte) mit seinen Mitarbeitern Gela und Scholle. | Foto:  Ulrike Kiefert
  • Bei Mikes ist die Welt noch in Ordnung: Mike Bahlmann (Mitte) mit seinen Mitarbeitern Gela und Scholle.
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Kiezkneipen sind wie die Currywurst echte Berliner Originale. Doch steigende Mieten und die Gentrifizierung machen ihnen das Leben schwer. Das „Mikes 'im T'“ im Samariterkiez hält mit Herzlichkeit und anhänglichen Gästen dagegen.

Freitagabend bei „Mikes 'im T'“. Die Hütte ist voll, der Zapfhahn hat Lauf. Alles wie immer und doch nicht ganz. Heute wird Geburtstag gefeiert. Die Eckkneipe im Samariterkiez jubiliert ihr 20-Jähriges. Da feiern und singen alle mit. „Hier ist das Leben noch lebenswert, hier fragt dich keiner, was du hast und was du bist.“ Darauf ein Prösterchen. Mike Bahlmann ist gerührt. „Ohne euch wäre ich nicht mehr. Also tanzt und trinkt, heute ist alles umsonst.“

Mike Bahlmann gehört die Kiezkneipe. Eröffnet hat er sie vor 20 Jahren hier in der Voigtstraße 28. Bahlmann wohnt gleich schräg gegenüber. Was praktisch ist, wenn's mal später wird. Bahlmann lacht. „Wir haben offen, bis es sich nicht mehr lohnt.“ Und das kann dauern bis zum Morgenrot. Wer dann noch betrunken am Tresen hockt, der fliegt. Auch eine Kiezkneipe muss sich rechnen.

Kneipenchef wird Mike Bahlmann eher spät. Zu DDR-Zeiten darf der gelernte Koch nicht in der Gastronomie arbeiten. „Wir hatten in der Familie zu viele im Westen.“ Sein Geld verdient er sich vor allem auf Baustellen. Dann kommt die Wende und Bahlmann legt los. Irgendwann hat er sechs Kneipen in Friedrichshain und Lichtenberg. „Ich war immer schon ein bisschen größenwahnsinnig.“ Bevor er 2003 in der Voigtstraße die Türen öffnet, ist er mit seiner Kniezkneipe sechs Jahre nebenan. Auf 40 Quadratmetern. „Eigentlich wollte ich das nur ein Jahr lang machen“, sagt Bahlmann. Aber schon vor der Halbzeit steht für ihn fest, „ich mache weiter“. Der Laden brummt. Zwölf Fässer Bier fließen jede Woche durch den Zapfhahn. Und am Tresen stehen die Stühle in Doppelreihe. Das waren noch Zeiten. „So viele Leute in der engen Kneipe, da gab es auch schon mal ne Schlägerei.“ Einmal kommt Bahlmann von einem dreiwöchigen Urlaub zurück und hört wilde Musik aus seiner Kneipe. Sauer wegen des Lärms stürmt er rein. Drinnen sind alle blau, auch seine Angestellten. „Ich hab' die alle rausgeschmissen aus dem Punker-Schuppen.“ Seine Stammgäste, die nach dem Rausschmiss einfach woanders weiterfeiern, lachen sich heute noch krumm darüber.

Alle sind willkommen
und ihre Sorgen auch

Eines schönen Tages bekommt Mike Bahlmann dann den Tipp, dass der Laden in der Voigtstraße neu vermietet werden soll. Silvester 2003 ist die Schlüsselübergabe, und Bahlmann zieht in 127 Quadratmeter um. „Ich habe jetzt genau das, was ich will“, sagt der 56-Jährige viele aufreibende Kneipenjahre und einen Hörsturz später. „Ich bin nicht der anonyme Inhaber irgendeines Ladens, den keiner kennt.“ Mike Bahlmann ist das wichtig. „Ich liebe meine Gäste.“ Egal, ob Lebemann, Anwohner, bunter Vogel oder armer Ritter. Alle sind willkommen und ihre Sorgen auch. Mietschulden oder Streit mit der Freundin. Bahlmann hört sich alles an. Und genau das macht für ihn den Unterschied. „In der Bar wirste bedient, in der Kneipe betreut.“ Seine Stammgäste wissen das zu schätzen. Rado und Kati zum Beispiel, die seit der ersten Stunde hier im Halbdunkel ihr Bierchen schlürfen. „Bei Mike ist es immer lustig. Man trifft alte Bekannte und quatscht über den Alltag.“ Raimond schaut meist nach Feierabend vorbei. Auf zwei, drei Bier oder zum Dartspiel. „Der Chef ist nett, mit dem kommste gleich klar.“ Und auch für Conny ist die Kiezkneipe quasi das zweite Wohnzimmer. „Man unterhält sich über die Arbeit und manch' einer heult sich über seine Beziehung aus.“

Die Kiezkneipe will Mike Bahlmann am Laufen halten, so lange es geht. Den Lockdown hat er mit staatlicher Corona-Hilfe überlebt und mit Spenden, die sein Bruder auf der Arbeit gesammelt hat. „Außerdem ist meine Miete günstig und mein Vermieter zufrieden mit mir“, sagt Bahlmann. Andere Berliner Kiezkneipen haben da weniger Glück. Sie müssen schicken Läden weichen. Dabei sind sie echte Berliner Originale. Mit einer Extra-Portion Herzlichkeit.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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