Gedenkstätte im Untergrund: Besonderheiten des U-Bahnhofs Weberwiese

Annemarie Kunath (Mitte), Witwe von Günther Kunath, zusammen mit BVG-Bauchef Uwe Kutscher und der damaligen Kulturstadträtin Jana Borkamp bei der Eröffnung des Gedenkzeichens am 26. Februar 2014. | Foto: Thomas Frey
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Die Station hatte im Lauf ihrer Geschichte schon mehrere Namen. Das allein macht den U-Bahnhof Weberwiese noch zu keinem Unikat.

Eröffnet wurde er am 21. Dezember 1928 mit der Bezeichnung Memeler Straße, benannt nach einer nahe gelegenen Straße. Der Halt war Teil der damals neu eröffneten Linie E zwischen Alexanderplatz und Friedrichsfelde, der heutigen U5. Die erste Umbenennung erfolgte 1950. Nach Gründung der DDR wurde aus der Memeler- die Marchlewskistraße, zur Erinnerung an den polnischen Sozialisten Julian Balthasar Marchlewski (1866-1925). Damit bekam auch die Station diesen Namen.

Die Marchlewskistraße blieb auch nach dem Ende des SED-Staates und der Wiedervereinigung. Anders als die Bahnhofsbezeichnung. Seit 1992 heißt der Halt Weberwiese. Die gleichnamige Grünfläche befindet sich unweit seines westlichen Zugangs. Sie verweist darauf, dass an dieser Stelle die in der Gegend ansässigen Färber und Weber einst ihre Stoffe bleichten.

Aber wie erwähnt, mehrfache Namenswechsel sind gerade bei Stationen der U5 nicht ungewöhnlich. Der Bahnhof Frankfurter Tor wurde insgesamt sechs Mal neu- beziehungsweise umgetauft. An der Weberwiese gibt es aber darüber hinaus noch weitere Besonderheiten.

Die erste fällt jedem auf, der dort auf einen Zug wartet. An den beiden Bahnsteigwänden hängen zahlreiche Portraits nebst weiterer Fotos sowie entsprechenden Informationen. Das kleine Museum im Untergrund ist seit 2015 Berliner Erfindern gewidmet. Zu ihnen gehören bekannte Namen wie der Eisenbahnpionier August Borsig (1804-1854), Kino-Ahnherr Max Skladanowsky (1863-1939) und Konrad Zuse (1910-1995), in den 1930er-Jahren Konstrukteur des ersten Computers. Auch woher die Litfaßsäule kommt, wird erklärt. Sie geht auf Ernst Litfaß (1816-1874) zurück. Andere Vertreter in dieser Galerie sind wahrscheinlich weniger geläufig. Etwa Cord Broihan. Schon deshalb, weil er bereits im 16. Jahrhundert lebte. Dabei war er zumindest in früheren Zeiten in vieler Munde, denn Cord Broihan gilt als Urvater des einst typischsten Getränks der Stadt – der Berliner Weiße.

Das und noch mehr kann der Fahrgast beim Aufenthalt in der Station Weberwiese erfahren. Meist reicht die Frist bis zur nächsten Bahn aber nicht, um sich mit allen Portraits zu beschäftigen. Außer es gibt Störungen im Betriebsablauf der BVG. Was ja manchmal vorkommen soll.

In die Erfinderansammlung ist auch ein Vertreter eingereiht, der nachweislich nicht aus Berlin kommt. Nämlich Daniel Düsentrieb. Lokal verortet ist diese Comicfigur in Entenhausen, als solche aber natürlich weltweit bekannt. Vielleicht wollten die Verkehrsbetriebe erneut ihren Humor unter Beweis stellen und weitere Aufmerksamkeit für ihre spezielle Ausstellung sichern.

Auch beim zweiten Erinnerungsort im Bahnhof wünschte sich der BVG-Bauchef bei der Einweihung möglichst viele Menschen, die auf ihn aufmerksam werden. Was in diesem Fall aber näheres Hinschauen erfordert.

An der Wand des Aufsichtsgebäudes auf dem Bahnsteig befindet sich seit Februar 2014 ein sogenanntes Gedenkzeichen. Es zeigt ein Foto der zerstörten damaligen Station Memeler Straße, dazu weitere Informationen. Die Station wurde bei einem Bombenangriff am 26. Februar 1945 von drei Sprengsätzen getroffen. Zum Zeitpunkt der Explosion befanden sich dort zwei vollbesetzte Züge. Außerdem hatten viele Menschen in dem Bahnhof Schutz gesucht. Mindestens 108 sind bei dem Angriff gestorben. Wahrscheinlich waren es weitaus mehr, denn viele Tote konnten nicht mehr identifiziert werden und wurden in Massengräbern beerdigt. Die Leichen hätten KZ-Häftlinge bergen müssen, erinnerte sich bei der Eröffnung der Gedenktafel einer der letzten Augenzeugen.

Dass an diese Katastrophe sichtbar gedacht und sie nicht vergessen wird, ist Günther Kunath zu verdanken. Der ehemalige Vorsitzende des Bürgerkomitees Weberwiese hatte bereits Jahre zuvor ein solches Erinnerungszeichen im Bahnhof gefordert. Nicht allein, um auf die Opfer hinzuweisen, sondern auch um deutlich zu machen, dass die Bomben nicht aus heiterem Himmel kamen. Sie waren die Reaktion auf den von Nazideutschland begonnenen Krieg.

Günther Kunath hat die Einweihung des Erinnerungszeichens nicht mehr erlebt. Er starb wenige Monate zuvor im Oktober 2013. Der Text auf der Tafel ist in Deutsch und Englisch verfasst und jeweils nur wenige Zeilen lang. Es reicht normalerweise die Zeit, ihn zu lesen, bevor die nächste U-Bahn kommt.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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