Stadtspaziergang
Diesmal geht's nach Gesundbrunnen entlang der alten Nordbahn

Foto: Bernd S. Meyer
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Zu meiner 215. monatlichen Tour lade ich Sie in den Norden von Gesundbrunnen rund um die Sternstraße am S-Bahnhof Wollankstraße ein. Wenn sie nicht zum Himmel hin offen wäre, könnte man die kurze Straße als Verlängerung des Fußgängertunnels am Bahnhof ansehen, nur locker von den Kronen der Straßenbäume überwölbt, wie fast jede Straße im Viertel.

Die auf sie gerichtete Tunnelröhre, beginnend auf Pankower Seite, wurde einst perfekt aus glatten gelben Klinkern gemauert, lässt vom hell gefliesten Fußboden gerade mal drei Meter Luft bis nach oben. Ihre 20 Meter sind zwar nur ein Zehntel der Sternstraßenlänge, dafür aber schattenfrei ausgeleuchtet. Seitlich führt eine Treppenröhre hoch zum Bahnsteig. Wussten Sie, dass die Station einst Pankow (Prinzenallee), dann Pankow (Nordbahn) hieß, in Pankow liegt, und zu Mauerzeiten nur von der Nordbahnstraße in Gesundbrunnen zu betreten war?

Foto: Bernd S. Meyer

Allein dazu gibt es einen ganzen Sack voller Geschichten! Etwa die, dass der Grenzstreifen auf Bahnhofslänge im Jahre 1991 mit 120 von Japan gespendeten Kirschbäumen bepflanzt wurde. In der Nähe steht 100 Jahre schon das Pankower Franziskanerkloster, das unauffällig über die Zeiten kam, ab 2004 mit seiner vielbesuchten Suppenküche stadtbekannt geworden ist. Unter der Nordbahntrasse führen vor Schönholz noch zwei weitere Tunnel hindurch. Einen quert die lange Wilhelm-Kuhr-Straße. Benannt wurde sie nach Pankows Bürgermeister, der vor dem Ersten Weltkrieg gegen allerlei Widerstände einen der schönsten Berliner Parks, nämlich den Pankower Bürgerpark durchgesetzt hat. Der niedrige Durchlass bietet Platz für Fuß- wie Radweg. Im nächsten fließt die Panke weniger reguliert von Pankower Seite auf Gesundbrunnen-Gebiet, eilt auf schnurgerader Kanalstrecke zum Wedding.

Foto: Bernd S. Meyer

Die Straßenbrücke verbindet die Nordbahn- mit der Kühnemannstraße zu Reinickendorf, heißt seit dem Neubau 1978 nach Hugo Heimann, dem sozialdemokratischen Verleger und Politiker, der an der Prinzenallee acht „Rote Häuser“ baute, mit deren Besitz Sozialdemokraten nach Preußens Dreiklassen-Wahlrecht für Berlins Stadtparlament wählbar wurden. Fritz Kühnemann war Weddinger Maschinenbauunternehmer, als Fördervereinsvorsitzender ein Motor der Berliner Gewerbeausstellungen bis zu jener riesigen 1896 in Treptow, die dann 7,5 Millionen Besucher anzog.

Foto: Bernd S. Meyer

Von Pankows Rathaus führt die Wollankstraße in Richtung Südwesten, bevor sie kurz vor der kreuzenden Soldiner einfach in die Prinzenallee übergeht. Dorthin war 1861 die Berliner Stadtgrenze vorgerückt - kilometerweit von der Akzisemauer an der Torstraße in Mitte entfernt. Es war die königliche Stadterweiterung zur künftigen Millionenstadt. So wuchsen auch hier bald auf den neuen billigen Stadtrandgrundstücken dicht an dicht die fünfgeschossigen Mietskasernen.

Foto: Bernd S. Meyer

Die Gründung Groß-Berlins 1920 gliederte die alte Kaiserstadt in sechs Innenstadtbezirke, den Wedding im Nordwesten. Zwölf neue Außenbezirke wurden damals administrativ festgelegt, aus der Provinz Brandenburg herausgelöst, der Kernstadt angeschlossen, Pankow war einer der zwölf. Das kleine Viertel zwischen Panke und Wollankstraße, Vorort-Mietshäuser rings um die Sternstraße mit viel Grün, war um 1900 auf Pankower Gebiet entstanden. Die Kattegatstraße, mittlere von drei Querstraßen, kreuzt sich platzartig mit der Sternstraße. Zwischen den aneinandergereihten Dreigeschossern steht mit roter Klinkerfassade die Andersen-Grundschule, einst Pankower Gemeindeschule.

Foto: Bernd S. Meyer

Ein paar Grundstücke weiter bezog der Gründer („Projektentwickler“) des Viertels sein villenartiges Haus im Stil des französischen Barock. Schon Mitte der 1860er-Jahre gab es nebenan jene großen Friedhöfe, die bis heute existieren. Wachsende Innenstadtkirchgemeinden brauchten sie einst dringend. Die Sophiengemeinde an der Großen Hamburger Straße bekam hier ihren dritten, nebenan der zweite der Elisabethgemeinde an der Invalidenstraße. Dazu ein kleinerer der französischen Kirche. Dort auf alten Grabsteinen ist zu sehen, dass bis 1870 Hugenotten französische Vornamen bekamen. Erst 1871 wurden deutsche auch bei ihnen zur Norm.

Foto: Bernd S. Meyer

Vor dem Ersten Weltkrieg ist an der Wollankstraße eine großzügige Wohnanlage für Mitglieder des Vaterländischen Bauvereins entstanden, lange „Posadowsky-Häuser“ genannt. Nach hinten Blick ins Grüne. Vorn fuhr seit 1895 Berlins erste elektrische Straßenbahn, die Siemensbahn – ab Badstraße nach Pankow, die späteren Linien 23/24 mit Gesundbrunnen-Straßenbahnhof Uferstraße über Prinzenallee bis zum Anger. An den Hausfassaden nördlich des S-Bahnhofs Wollankstraße waren bis zur Sanierung noch alte Anker zur Befestigung der Oberleitungen zu sehen.

Foto: Bernd S. Meyer

Im Jahre 1938 war das Gebiet südwestlich der Nordbahn dem Wedding zugeschlagen worden, kam so nach 1945 zum französischen Sektor. Nach dem Mauerbau ist dort an der Wollankstraße schnell eine neue Kirche gebaut worden. Die damals abgeteilte Gemeinde hieß nun „Martin Luther Pankow-West“. Das kleine Gemeindehaus hat die Zeiten überstanden. Unweit davon, auf dem früheren Kompostplatz der St. Elisabeth-Friedhofsgärtner gibt es Neues: den solidarischen Lehrgarten Elisabeet-Himmelbeet. Bereits ein ganzer Hektar Grün mit großem Gemüsegarten, dem Herzstück des interkulturellen Projekts. Jeder, kann auch mit gärtnern oder einfach Freizeit genießen. Sogar ein Gemüsekisten-Abo funktioniert. Gewächshäuser und andere Aufbauten sind dabei, vom Provisorium zur Dauereinrichtung zu werden. Hier wirken junge Leute, die ein Stück anderes dörfliches Leben an einem ungewöhnlichen Ort mitten in der Stadt erfinden.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 11. November, um 11 Uhr. Treffpunkt ist am S-Bahnhof Wollankstraße, Ecke Nordbahnstraße. Die Tour wiederhole ich am Sonnabend, 18. November, um 14 Uhr. Die Teilnahme kostet dann aber neun, ermäßigt sieben Euro. Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31.

Die Führung am 11. November ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Dienstag, 7. November, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 02.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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