Die Rückkehr des Kreuzes
Nach einer Odyssee wurde das Altarkreuz der alten Schrippenkirche wieder aufgestellt

Pfarrer Thomas Jeutner bei der Enthüllung des restaurierten Altarkreuzes vor der Schrippenkirche in der Ackerstraße 137. Benita und Jonas Burgert, Frau und Sohn des 2009 verstorbenen Künstlers Hans Joachim Burgert, freuen sich über die Wiederaufstellung.  | Foto: Dirk Jericho
4Bilder
  • Pfarrer Thomas Jeutner bei der Enthüllung des restaurierten Altarkreuzes vor der Schrippenkirche in der Ackerstraße 137. Benita und Jonas Burgert, Frau und Sohn des 2009 verstorbenen Künstlers Hans Joachim Burgert, freuen sich über die Wiederaufstellung.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Das originale Altarkreuz der alten Schrippenkirche steht jetzt in einem beleuchteten Glaskasten vor dem Eingang der heutigen Schrippenkirche in der Ackerstraße 137.

Es ist ein einzigartiges Kunstwerk, das der Bildhauer Hans Joachim Burgert 1963 für den Andachtssaal der restaurierten Kapelle der Schrippenkirche geschaffen hat. In dem Altarkreuz sind auf der Vorderseite biblische Szenen in bunten Emaillekacheln dargestellt. Auf der Rückseite hat der Künstler die entsprechenden Bibelstellen aus dem Alten und dem Neuen Testament angeordnet. Zehn Jahre nach Burgerts Tod wurde das Kunstkreuz jetzt im Beisein seiner Frau Benita (78) und Sohn Jonas (50) vor der heutigen Schrippenkirche direkt hinter der Mauergedenkstätte wieder aufgestellt. In einem beleuchteten Glaskasten am Eingang kann nun wieder jeder das Altarkreuz mit zehn farbigen Reliefbildern bewundern. Hans Joachim Burgert hat viele Kirchen und Sakralbauten mit Farbfenstern, Kreuzen, Metallmontagen oder Fußböden gestaltet – wie zum Beispiel die evangelische Kirche zum Heilsbronnen in Schöneberg.

Schrippenkirche versorgte Obdachlose und Arme

Schrippenkirche wurde der Verein „Dienst an Arbeitslosen“ im Volksmund genannt, den der Journalist Konstantin Liebich im Herbst 1882 gründete. Obdachlose und Verlierer der Gründerzeit fanden hier im proletarischen Wedding ein Dach über dem Kopf und etwas Arbeit. Vor dem Gottesdienst gab es Kaffee und zwei Schrippen. So entstand der Name Schrippenkirche. 1902 konnte der Verein aufgrund einer großzügigen Spende ein Haus in der Ackerstraße 52 bauen. Das Vereinshaus mit Andachtssaal war die Schrippenkirche. Hier gab es ein Jugendheim und eine Arbeitsstätte, in der gesammelter Trödel, genannt „Brocken“, wieder aufgearbeitet und weiterverkauft wird. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schrippenkirche schwer beschädigt. Diakonissen bauten das Werk nach 1945 wieder auf. Hans Joachim Burgerts Altarkreuz stand nicht sehrt lange in der Schrippenkirche. Denn im Zuge der Kahlschlagsanierung des Senats Ende der 70er-Jahre und dem Neubau der Ernst-Reuter-Siedlung nördlich der Bernauer Straße wurde die alte Schrippenkirche unter Protesten 1980 abgerissen.

Das Altarkreuz konnte gerettet werden und fand seinen Platz im Gemeindezentrum der Versöhnungsgemeinde

Das Altarkreuz konnte gerettet werden und fand seinen Platz im Gemeindezentrum der Versöhnungsgemeinde an der Bernauer Straße 111. Das Haus wurde nach dem Mauerbau errichtet, weil die Versöhnungskirche plötzlich im Grenzstreifen lag und 1985 sogar gesprengt wurde. Das Gemeindezentrum ist heute die Gedenkstätte Berliner Mauer. Auf den Fundamenten der gesprengten Versöhnungskirche wurde 1999 die Kapelle der Versöhnung im früheren Todesstreifen errichtet. Das bunte Altarkreuz ging zurück an den Schrippenkirchen-Verein. Danach verliert sich ein wenig die Spur, sagte er Pfarrer der Versöhnungsgemeinde, Thomas Jeutner, beim Gottesdienst zur Wiederaufstellung. Das Emaillekreuz wurde ins Altenheim Domizil am Gartenplatz ein paar hundert Meter entfernt vom jetzigen Standort gebracht, wo es für Andachten diente, so Jeutner. Als dort renoviert wurde, „kam das Kreuz wieder wie ein Magnet zurück“, sagt der Pfarrer.

Die heutige Schrippenkirche direkt hinter der Mauergedenkstätte ist ein Wohnstätte für geistig Behinderte. Das Grundstück hatte der Verein als Ersatz für die abgerissene Schrippenkirche bekommen. In dem Haus leben heute 44 Menschen mit Unterstützungsbedarfen, wie es der Träger nennt. Die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, die auch Träger des Lazarus Wohn- und Pflegeheims ein paar Meter weiter in der Bernauer Straße ist, hat den Schrippenkirche e.V. 2017 übernommen und sich entschlossen, das historische Altarkreuz der Schrippenkirche zu restaurieren und öffentlich aufzustellen – „als Zeugnis christlich gegründeter Sozialarbeit im Wedding mit einer über 130-jährigen Tradition“, wie es heißt.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 133× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 917× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 587× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.976× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.