Unter Tage wird die Luft knapp
Wegen der Corona-Pandemie erzielt der Verein Berliner Unterwelten keine Einnahmen mehr
Seit 23 Jahren erforscht, sichert und dokumentiert der Verein Berliner Unterwelten historische unterirdische Bauwerke und macht sie für die Öffentlichkeit zugänglich. Jetzt kämpfen Berlins Maulwürfe ums Überleben.
„In diesem Raum erzählen wir die Geschichte der Trümmerbeseitigung und des Wiederaufbaus nach dem Krieg“, sagt Dietmar Arnold. Hinter ihm hängt das Originalschild vom „Berliner Not-Programm“, das nach 1945 vor dem Trümmerberg der Flakturmruine im Humboldthain stand. Arnold ist Chef des international bekannten Vereins Berliner Unterwelten. Keiner kennt Berlin von unten so wie er. Dass sein Lebenswerk selbst mal auf ein Berliner Notprogramm angewiesen sein würde, hätte er nicht gedacht. Dort unten in den Katakomben am U-Bahnhof Gesundbrunnen haben die Unterwelten-Pioniere 1998 das Labyrinth aus Schutzräumen, in denen sich bei Bombardements Hunderte Berliner drängten, auf mehreren Etagen entdeckt. Die vielen Räume hatte die BVG beim Bau 1928 ursprünglich als Betriebsräume für Werkstätten und Kantine errichtet. Die Nazis bauten sie ab 1940 zu Luftschutzräumen um.
Vergessene Orte erforscht
Der Unterwelten-Verein hat dafür gesorgt, dass dieser vergessene Ort erforscht und wie alle anderen von den Unterweltlern entdeckten Anlagen unter Denkmalschutz gestellt wurde. Im „Bunker B“ befindet sich seit 2000 das Berliner Unterwelten-Museum mit zahlreichen Exponaten und Geschichten vor allem zum Zweiten Weltkrieg und Luftschutzmaßnahmen, aber auch zur Geschichte der Stadtrohrpost, Kanalisation, Brauereien und U-Bahn. Die Tour eins „Dunkle Welten“ im Unterwelten-Museum ist die meistbesuchte der mittlerweile elf Touren. Es gibt zum Beispiel auch Führungen durch Deutschlands ersten U-Bahntunnel auf dem einstigen AEG-Gelände, zu Fluchttunneln in der Bernauer Straße, in den Flakturm Humboldthain oder zum alten OP-Bunker des ehemaligen Humboldt-Krankenhauses in Reinickendorf.
365.000 Besucher aus der ganzen Welt steigen jährlich in den Berliner Untergrund. Viele Schulkassen kommen, um an authentischen Orten Geschichte zu verstehen. Normalerweise stehen Schlangen vor dem Ticketschalter am Gesundbrunnen. Doch trotz perfektem Hygienekonzept ist derzeit alles dicht. „Wir waren nach dem ersten Lockdown im März jetzt mit stark reduzierten Gruppengrößen wieder bei 30 Prozent des Umsatzes vom Vorjahr“, sagt Dietmar Arnold. Die Rücklagen für zukünftige Grabungs- und Forschungsprojekte sind aufgebraucht. Der Verein konnte zumindest wieder kostendeckend arbeiten. Alle Ausstellungen, Führungen, Seminare, Bücher und Gedenktafeln finanziert der gemeinnützige Verein vor allem aus seinen Touren-Einnahmen. Staatliche Gelder bekommen die Bunkerforscher nicht. „Der November-Lockdown hat alles zerstört“, so Dietmar Arnold.
Fast alle der rund 50 Festangestellten sind in Kurzarbeit, die über 100 freien Tourguides ohne Job. Auch viele Ehrenamtliche, die die Vereinsarbeit seit Jahren unterstützen, hängen in der Luft. Anders als beim ersten Lockdown hat der Unterwelten-Verein diesmal Corona-Hilfen bekommen. „Sonst wären wir im November insolvent. So kommen wir erstmal bis zum Jahresende“, sagt Arnold.
Spenden werden dringend gebraucht
Er und seine Mannschaft kämpfen um die Existenz ihres Vereines. „Es gibt noch so viel zu erforschen“, sagt der für seine Arbeit mit dem Landesverdienstorden und dem höchsten Denkmalschutzpreis Deutschlands ausgezeichnete Stadtplaner. Berliner Unterwelten hat sich gegründet, „weil wir eine Lobby für den Berliner Untergrund werden wollten“, sagt Arnold. Die anfänglichen Vorbehalte gegen die Forscher und Diffamierungen als Bunkerküsser oder Betonromantiker sind längst Vergangenheit.
Wer den Verein unterstützen will, kann auf www.berliner-unterwelten.de spenden.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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