39 Künstler zeigen in drei Ausstellungen ihre Werke auf der Zitadelle
Das ist Kunst und kann nicht weg

Die Installation von Felix Grabe heißt "Familienporträt". | Foto: Christian Schindler
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Mit 39 Künstlern, die ihre Werke in drei Ausstellungen zeigen, ist das Zentrum für aktuelle Kunst (ZAK) auf der Zitadelle in das neue Jahr gestartet.

Im oberen Geschoss der ehemaligen Kaserne in der alten Festung wird eine alte Debatte wieder eröffnet. Die Frage „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ wurde zur Redensart, nachdem 1973 eine von Joseph Beuys mit Mullbinden und Heftpflaster „verunreinigte“ Säuglings-Badewanne bei einem geselligen Abend der Leverkusener SPD geschrubbt und dann zum Gläserspülen genutzt wurde. So entstand das Klischee der moderne Kunst vernichtenden Putzfrauen, das 1986 weiteren Auftrieb bekam: Ein Hausmeister entfernte eine Beuys’sche Fettecke in der Düsseldorfer Kunstakademie.

Die Vorfälle, die zu Anekdoten wurden, hatten auch reale Folgen. In beiden Fällen wurde Schadensersatz in fünfstelliger Höhe fällig. So hoch dürfte der Streitwert nicht werden, sollte sich jemand an Felix Grabes „Familienporträt“ von 2018 vergreifen. Die Installation besteht aus gereinigtem Verpackungsabfall aus der DDR und hat immerhin „variable Maße“. Die Konservendosen und Plastikflaschen dürfen also je nach Ausstellungsort in unterschiedlicher Zusammensetzung gezeigt werden.

Menschen, Müll
und Joseph Beuys' Engagement

Grabes Installation ist Teil der Ausstellung „Verletzbare Subjekte“, die aus dem Projekt PONC – persons of no consequences – an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig entstand. Der Müll aus der DDR kann auf viele Verletzungen verweisen. Die Schäden, die Müll an der Umwelt anrichtet, lassen sich damit ebenso assoziieren wie der Lauf der Geschichte, der für viele in der DDR aufgewachsene Menschen lange gewohnte Gewissheiten erschütterte. Da ergibt sich wieder die Verbindung zu Beuys. Galt er in der Bundesrepublik vielen Menschen vor allem als spinnerter Künstler, lässt er sich im Rückblick als hellsichtiger Realist verstehen. Als Unterstützer der Grünen engagierte er sich für eine damals noch kleine politische Gruppe, die heute auf dem Weg zur Volkspartei ist.

Verletzbare Subjekte sind natürlich auch die Menschen. Hana Hazem Arabi widmet seine Installation von 2019 den „Parias“, den Minderheiten, die in einer Gesellschaft unter die Räder kommen können. In diesem Fall geht es konkret um „die Wut der Gesellschaft, die jeden vernichten würde, der seinen homosexuellen Partner liebt“. Ein zur Schlinge gewundenes Seil setzt hier ein brutales Ausrufungszeichen.

"Körperteile" umklammern Backsteine

Lea Petermann verbindet mit ihrer Installation „Body centred lattice“ (Fachwerk versammelt aus Körper) von 2017 vom Zerfall gleichermaßen bedrohte menschliche Körperteile und Backsteine, die einst Gebäude waren. Organische Figuren aus Gips, basierend auf Abgüssen des Körpers der Künstlerin, umklammern die zu Trümmern gewordenen Steine, die wie jetzt auch die Körperabgüsse zu archäologischen Fundstücken werden.

Die Ausstellung „Not only in Space, but also in Time“ (nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit) macht aus der Kaserne eine einzige Skulptur, die aus dem historischen Zusammenhang gerückt ist. Claudia Busching lässt die langen Korridore wie geschaffen als Raum für ihre beinahe schwebenden Bambusstäbe erscheinen, während Pomona Zipser den Beweis antritt, dass große Holzkonstruktionen sehr fragil wirken können. Die vielfältig leuchtenden Neonröhren des Engländers Andrew Stonyer wirken trotz der Größe der Installation geradezu poetisch.

Spekulationen um gefällte Linde

Für die aus Polen stammende Georgia Krawiec ist die Ausstellung „radiKAHLschlag“ ein Heimspiel. In ihrem Atelier im Gerd-Steinmöller-Haus auf der Zitadelle experimentiert sie mit Lochkameras und teilweise mehrmonatigen Belichtungszeiten bei der Dokumentation von Pflanzen. Im Projektraum des ZAK ist „Lynars Auge“ zu sehen, eine optische Erkundung des Inneren des Stammes jener Linde, die im vergangenen Jahr auf der Zitadelle gefällt wurde, und über die es Spekulationen gab, dass sie schon den Zitadellenbaumeister Graf Rochus zu Lynar im 16. Jahrhundert gesehen habe.

Die drei Ausstellungen sind bis zum 19. April im Zentrum für aktuelle Kunst auf der Zitadelle, Am Juliusturm 64, freitags bis mittwochs von 10 bis 17 Uhr und donnerstags von 13 bis 20 Uhr zu sehen. Der Eintritt von 4,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, berechtigt zum Besuch aller Museen auf der Zitadelle.

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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