"Der Auswanderer" im Theaterforum Kreuzberg

Die Dorfbewohner erfahren die Nachricht vom fremden Toten. Wer kannte ihn? | Foto: Manfred Eulenbruch
  • Die Dorfbewohner erfahren die Nachricht vom fremden Toten. Wer kannte ihn?
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Kreuzberg. Unbekannte oder vergessene Werke von Autoren des 20. Jahrhunderts wieder entdecken. Diese Nische bedient seit einigen Jahren erfolgreich das Theaterforum Kreuzberg. Die kleine Spielstätte in der Eisenbahnstraße 21 und seine Regisseurin Anemone Poland haben dabei schon einige zu Unrecht vernachlässigte Schätze gehoben. So auch ihre aktuellen Inszenierung "Der Auswanderer".

Das Schauspiel des libanesischen Schriftstellers Georges Schehadé (1905-1989) erlebte seine Uraufführung 1965 in München. Die Berliner Premiere gab es am 7. März im Theaterforum. Die Handlung: Eine Parabel um Geld, Betrug, Verrat und Macht.

In einem sizilianischen Dorf taucht eines Nachts ein Fremder auf. Bevor klar wird, was er dort will, stirbt er. Aufschluss über seinen Besuch bringt ein Dokument im Nachlass. Bei dem Toten handelt es sich um einen ehemaligen Auswanderer, der in Australien reich geworden ist und die alte Heimat besuchen wollte. Und nicht nur das. Er hatte außerdem verfügt, dass nach seinem Ableben sein Vermögen an seinen Sohn fällt, den er einst mit einer Frau aus dem Dorf gezeugt hat.

Dumm nur, dass weder der Name der Dame, noch der des Kindes verzeichnet sind. Damit beginnt die Suche nach der Mutter und Erbin. In Frage kommen drei verheiratete und inzwischen in die Jahre gekommene Frauen. Alle beteuern, den Fremden nie gekannt zu haben. Gleichzeitig geraten ihre Männer in einen Zwiespalt. Sollte es wirklich einen Fehltritt der Gattin gegeben haben, kratzt das natürlich an der Ehre. Andererseits ist die Aussicht auf unermesslichen Reichtum einfach zu reizvoll. Selbst dann, wenn die Frauen wirklich nichts mit dem Auswanderer zu tun hatten. Motto: Was ist eine Lüge gegen einen Brunnen voller Geld.

Die Szenen, in denen sich jedes Paar mit diesen Fragen beschäftigt, sind der Höhepunkt des Stücks. Durchdekliniert werden dabei nicht nur alle Facetten menschlicher Fallstricke und Niedertracht, sondern auch eine Bestandsaufnahme des eigenen Daseins. Ein Leben meist in Kargheit und Armut. Was dazu führte, dass auch die eigenen Söhne bereits zu Auswanderern wurden. Der fremde Tote öffnet einen Moment den Blick für andere, verpasste Chancen, ehe daraus eine Auseinandersetzung mit blutiger Konsequenz wird. Und am Ende löst sich das ganze Geheimnis ebenso lapidar wie überraschend auf.

Die Aufführung hat zwar einige Längen, die werden aber durch gelungene szenische Einfälle aufgehoben. Das beginnt bereits damit, dass das Publikum wie in einer Arena im Halbkreis um das Geschehen platziert ist. Damit wird es Teil der Inszenierung, Staffage für die Dorfprotagonisten. Den zwölf Schauspielern bieten ihre Rollen genügend Gelegenheiten, sich in verschiedenen Stimmungslagen auszutoben. Was die auch reichlich nutzten. Zum Beispiel Thilo Herrmann als Blechschmied Barbi oder Alexander Riemann als Bürgermeistersekretär Tutino. Denn bei allem moralischen Tiefgang fehlen auch witzige Dialoge nicht. Etwa jener Satz, der als Quintessenz des Stückes gelten kann. "Man wird immer an das Hauptproblem erinnert. Das Geld. Oder die Frau."

Der Auswanderer wird bis zum 13. April, immer Freitag, Sonnabend und Sonntag gespielt. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Die Karten kosten 18, ermäßigt zehn Euro. Reservierung: 70 07 17 10 oder www.tfk-berlin.de. Am 28. März gibt es keine Vorstellung. Stattdessen eine Lesung mit Gedichten und Szenen von Georges Schehadé.
Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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