In einem Kunstprojekt erzählen Schüler Zeitgeschichte

Der Schüler Nico Trötscher schlüpfte in die Rolle eines Journalisten. | Foto: Wrobel
3Bilder
  • Der Schüler Nico Trötscher schlüpfte in die Rolle eines Journalisten.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Für das Kunstprojekt "Schwimmend im Tintenstrom" erfanden Schüler Lebensgeschichten, die sie mit der realen Zeitgeschichte verbanden. "Wie glaubwürdig ist eine Geschichte? Je mehr ich eine Fiktion mit reellen Fakten der Zeitgeschichte verbinde, umso nachvollziehbarer wird sie", weiß Irina Novarese.

Die italienische Künstlerin beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Erinnerung und Identität. So konserviert sie Erinnerungen in Flüssigkeiten, übersetzt geografische und zeitgeschichtliche Daten in Installationen. Mit dem Künstler Marco Pezzotta und den Schülern der 9. und 12. Jahrgangsstufe der Mildred-Harnack-Schule näherte sie sich für ein Projekt in ganz besonderer Form der Zeitgeschichte. Denn die setzt sich nicht nur aus aneinandergereihten historischen Fakten zusammen, wie Schüler es aus den Geschichtsbüchern entnehmen können. "Sich mit Zeitgeschichte auseinanderzusetzen bedeutet auch, sich in die Personen und ihre Lebenswelten einzufühlen", sagt Novarese."Crawling in the inky river - schwimmend im Tintenstrom" heißt das Kunstprojekt, welches die weißen Wände des Treppenaufgangs der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek schmückt. Sieben Fäden laufen an den Wänden entlang, kommen an Knotenpunkten zusammen und drängen wieder auseinander. Es sind die Lebenswege von sieben Personen, deren biografische Eckpunkte anhand von Briefen, Postkarten, Alltagsgegenständen in Vitrinen anschaulich gemacht werden: eine Brille, eine ausgedrückte Zigarette, ein Abschiedsbrief. So etwa ist die Lebensgeschichte des im Jahr 1904 geborenen Alexander Müller nachzuvollziehen.

Antwort auf Hitler-Rede

"Ich habe mich richtig in seinen Charakter eingefühlt", erzählt der Schüler Nico Trötscher. Er schlüpfte in das Leben Alexanders, spürte seiner Arbeit als Journalist nach - auch in der Zeit des Dritten Reiches. "Dieser Artikel ist komplett aus meinem eigenen persönlichen Gefühl entstanden. Er ist wenig sachlich. Natürlich hätte so ein Artikel 1933 nie das Licht der Welt erblicken können", weiß Nico, der für Alexander zur Feder griff und einen Artikel als Antwort auf Hitlers Rede am 24. August 1933 schrieb. Denn die Lebensgeschichte von Alexander ist erfunden, wie auch die der anderen sechs Lebensgeschichten. Anhand von echten historischen Fakten und Dokumenten konstruierten die Schüler die sieben Leben und setzten sich auf diese Weise mit der Zeitgeschichte auseinander.

"Der Vater von Alexander starb kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges. Seine Mutter hat seinen Tod nicht verwunden und beging Selbstmord. Von da an musste Alexander alleine zurechtkommen, wie wohl viele junge Menschen in seiner Zeit. Das muss sehr prägend gewesen sein", sagt Nico. Prägend für Alexander sollte auch das Aufeinandertreffen mit dem Schriftsteller und Journalisten Egon Erwin Kisch sein.

"Das haben alle unsere Hauptfiguren gemein, dass sie an einem Punkt ihres Lebens auf Kisch treffen", erklärt die Schülerin Sophie Wieland. Ausgangs- und Drehpunkt der fiktiven Gefährten ist die Schiffsreise von Kisch, die er 1934 nach Australien unternahm. Die Fotografie, welche Kisch mit einer Zigarette im Mund an Schiffsdeck zeigt, ist heute eine zeitgeschichtliche Ikone. "Diese Fotografie war unser Ausgangspunkt", sagt Sophie. Die Schüler recherchierten die historischen Fakten dahinter, knüpften einen Zeitrahmen und woben die fiktiven Lebenswege der Figuren hinein, sodass diese Lebenswege wahrscheinlich, möglich und glaubwürdig wurden. Innerhalb von fünf Projekttagen realisierten die Schüler dann das Projekt, das auch anhand eines Blogs unter www.crawlingintheinkyriver.tumblr.com nachvollziehbar ist. Zu sehen ist das Projekt dauerhaft im Treppenaufgang der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek, Frankfurter Allee 149.

Karolina Wrobel / KW
Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 827× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 816× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 512× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.005× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.899× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.