Museum zeigt Ausstellung "Jüdisch oder Deutsch!"

Thomas Thiele deckte in seinen Recherchen auf, wie sehr das persönliche Glück von zwei Paaren während der NS-Diktatur zerstört wurde. | Foto: Wrobel
  • Thomas Thiele deckte in seinen Recherchen auf, wie sehr das persönliche Glück von zwei Paaren während der NS-Diktatur zerstört wurde.
  • Foto: Wrobel
  • hochgeladen von Karolina Wrobel

Lichtenberg. Mit einem Zeitzeugengespräch und einer Ausstellung wird am 27. Januar im Museum Lichtenberg auf ungewöhnliche Weise den Opfern des Nationalsozialismus gedacht.

Verwaltungsakten und Protokolle erzählen nur selten von persönlichen Schicksalen. So war es auch im Fall des Ärzte-Ehepaares Dr. Friedrich Jacobs und seiner Frau Dr. Toni Jacobs. "Die jüdische Herkunft von Friedrich Jacobs war stets eine Vermutung, die Aktenlage fragmentarisch", weiß Thomas Thiele, Leiter des Museums Lichtenberg. Diese irrtümliche Annahme brachte den Impuls, die Geschichte des Ehepaares neu zu untersuchen. Das Ergebnis ist ab dem 27. Januar in der Türrschmidtstraße 24 zu sehen. Um 17 Uhr eröffnet die Ausstellung "Jüdisch oder Deutsch!". Sie befasst sich nicht nur mit dem Schicksal zweier Lichtenberger Paare unter dem Verdikt der NS-Rassentrennung. Vielmehr schließt die Präsentation erstmals die Wissenslücken um den bedeutenden Lichtenberger Arzt Dr. Friedrich Jacobs. Zudem zeigt sie im Fall des Schneiders Arthur Falck, wie sehr die Gesetzgebung der Nationalsozialisten auch das Streben nach persönlichem Glück unter Strafe stellte.

"Die Geschichte von Arthur Falck ist menschlich sehr anrührend", so Thomas Thiele. Denn der jüdische Schneider verliebte sich in die jüngere Nichtjüdin Margarete Kroll so sehnsuchtsvoll, dass seinen Gefühlen auch zweifache Zuchthausstrafen wegen "Rassenschande" nichts anhaben konnten. Seinem Streben nach Glück setzten die Nationalsozialisten schließlich mit der Deportation nach Riga ein grausames Ende.

In "privilegierter Mischehe" hingegen überlebte das Ehepaar Friedrich und Toni Jacobs die NS-Diktatur. "Es ist ein Irrtum zu glauben, diese Mischehen seien vor Verfolgung geschützt gewesen", sagt Thiele. Dr. Friedrich Jacobs begründete in den 1920er Jahren im Städtischen Krankenhaus Lichtenberg eine der modernsten Entbindungskliniken in Berlin. Der hohen Kindersterblichkeit in den Arbeitervierteln sollte entgegengewirkt werden. "Jacobs prägte eine sozial motivierte medizinische Haltung, die sehr fortschrittlich war." Und auch Dr. Toni Jacobs, die jüdischer Herkunft war, praktizierte als eine der wenigen Frauen im gleichen Berufsstand. "Die NS-Politik stand dem Charakter der offenen Gesellschaft der Weimarer Republik und einer modernen Ethik in der Medizin entgegen. Rassische Medizin, Zwangssterilisationen an psychisch erkrankten Frauen wurden Alltag", sagt Thiele. Dr. Friedrich Jacobs wurde 1934 vom Staatsdienst entfernt und verlor seine Stellung, Dr. Toni Jacobs praktizierte noch bis 1936 als Kinderärztin. "Friedrich Jacobs arbeitete nie wieder als Arzt", weiß Thiele. Er starb 1964 in Großbritannien.

Am Eröffnungstag der Ausstellung lädt das Museum Lichtenberg um 14 Uhr auch zu einem Zeitzeugengespräch ein, an dem Sabine Jacobs, Tochter von Dr. Friedrich und Dr. Toni Jacobs sowie Nachfahren der Familie Falck teilnehmen werden. Ferner sind Bildungseinrichtungen wie Schulen und Bibliotheken eingeladen, die Wanderausstellung "Jüdisch oder Deutsch!" zu zeigen.

Die Sonderausstellung ist im Museum Lichtenberg noch bis zum 2. März zu sehen, der Eintritt ist frei.
Karolina Wrobel / KW
Autor:

Karolina Wrobel aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 168× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 120× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 178× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.517× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.