Stillstand seit 14 Jahren
Das Kino Sojus ist zur Ruine und Heimat für Tauben geworden

An dieses Bild haben sich die Marzahner inzwischen gewöhnt. Seit der Schließung 2007 verfällt das Kino Sojus. Den Innenraum sollen sich Tauben erobert haben. | Foto: Philipp Hartmann
4Bilder
  • An dieses Bild haben sich die Marzahner inzwischen gewöhnt. Seit der Schließung 2007 verfällt das Kino Sojus. Den Innenraum sollen sich Tauben erobert haben.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Seit der markante rote Schriftzug mit dem Stern 2018 abmontiert wurde, erinnert von außen nicht mehr viel an das Kino Sojus. Auf einer verschlossenen Tür prangen noch das Wort „Eingang“ und darunter ein Pfeil nach links, doch Eintreten kann hier schon seit 14 Jahren niemand mehr.

Das 2007 geschlossene Kino auf dem Helene-Weigel-Platz ist einer dieser Orte, der vergessen und verlassen scheint. Fensterscheiben sind zersplittert, die Fassade ist von Graffiti-Schmierereien übersät. Jemand hat illegal Elektroschrott entsorgt. Unkraut hat sich ausgebreitet.

Doch viele Bürger aus Marzahn verbinden mit dem Sojus schöne Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend wie beispielsweise der Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung, Bjoern Tielebein, der unweit des Kinos aufgewachsen ist. Als Steppke hat er 1987 mit seiner Mutter und seiner Schwester im Sojus seinen ersten Kinofilm überhaupt gesehen: „Alibaba und die 40 Räuber“. Der Eintrittspreis betrug 1,50 Mark. Günstig genug, dass er in der Kindheit ein häufiger Gast des Filmtheaters war. Das Sojus galt als Billigkino. „Es waren nicht die neuesten Filme, aber das war nicht so schlimm“, sagt er. 2007, im Jahr der Schließung, war er noch einmal zum Filmgucken in seinem Kino. Die türkisfarbenen Sessel und die kleine Vorterrasse vor dem Eingang, wo immer viele Leuten standen und rauchten, sind ihm in Erinnerung geblieben. Nach ein paar Treppenstufen kam ein „schönes großes Foyer“ mit einem „edlen Fußboden“ und roten Absperrkordeln. „Das wirkte auf mich modern“, erzählt Bjoern Tielebein. Popcorn und Cola gehörten für ihn bei einem Besuch immer dazu.

Zum Eingang nach links. Hinweise wie diese an einer verschlossenen Tür gibt es kaum noch. 2018 wurden die Schriftzüge abmontiert. | Foto: Philipp Hartmann
  • Zum Eingang nach links. Hinweise wie diese an einer verschlossenen Tür gibt es kaum noch. 2018 wurden die Schriftzüge abmontiert.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Die Geschichte des Gebäudes reicht 40 Jahre zurück. Eröffnet wurde es als Kino Sojus am 30. April 1981 nach den Plänen der Architekten Wolf-Rüdiger Eisentraut und Dietrich Kabisch. Weil ab 1976 in Marzahn neue Wohngebiete für mehrere Zehntausend Menschen entstanden, brauchte es einen Vergnügungsort in unmittelbarer Umgebung. Der Helene-Weigel-Platz bot den nötigen Platz. 1992 übernahm die UFA das Kino und baute drei Jahre später noch zwei weitere Säle ein: im Foyer (Saal 2) und in einem ehemaligen Lagerraum im Keller (Saal 3).

Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste das Sojus erstmals 1999 vorübergehend schließen. Wenige Monate zuvor war nur wenige Fahrminuten entfernt die „UCI Kinowelt Le Prom“ (heute „UCI Am Eastgate“) eröffnet worden. Trotz der Konkurrenz ging der Betrieb des Sojus noch im selben Jahr weiter.

Der neue Betreiber „Kino, Kino! Entertainment GmbH“ führte das sogenannte One-Dollar-Kino-Konzept ein. Für geringe Eintrittspreise wurden unter anderem aktuelle Spielfilme erst nach ein paar Monaten gezeigt, wenn andere Kinos diese bereits wieder aus ihrem Programm genommen hatten. Auch Filme außerhalb des Mainstreams liefen über die Leinwand. Dazu gab es ein vielfältiges Angebot für Kinder. 2007 schließlich kam ein neuer Besitzer, der dem Kinobetreiber kündigte. Letzte Vorstellung soll der Dokumentarfilm „Prinzessinnenbad“ über drei pubertierende Mädchen aus Kreuzberg gewesen sein.

Dem Verfall preisgegeben. Vor mehr als 40 Jahren, am 30. April  1981 wurde das von den Architekten Wolf-Rüdiger Eisentraut und Dietrich Kabisch entworfene Gebäude als Kino Sojus eröffnet. | Foto:  Philipp Hartmann
  • Dem Verfall preisgegeben. Vor mehr als 40 Jahren, am 30. April 1981 wurde das von den Architekten Wolf-Rüdiger Eisentraut und Dietrich Kabisch entworfene Gebäude als Kino Sojus eröffnet.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Seit der Schließung gibt es Pläne, das Gebäude abzureißen und ein Wohnhaus inklusive Parkdeck und Lebensmittelmarkt zu bauen. Passiert ist nichts. Im September gab es einen erneuten Besitzerwechsel. Der neue Eigentümer plane ebenfalls, auf dem Gelände zu bauen. Bjoern Tielebein wünscht sich für die Zukunft noch mal einen kompletten Neustart und ein transparentes Verfahren, bei dem die Bürger mitreden können. „Das Sojus war eine Institution in Marzahn für viele Menschen. Es ist wirklich traurig gewesen, weil der Betreiber das Kino gar nicht schließen wollte“, erzählt er. Wenn er heute an der Ruine vorbeilaufe, habe er ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits seien da die guten Erinnerungen. Anderseits wolle er aber auch nach vorne schauen.

Den Zustand des Sojus nennt er katastrophal. Der Innenraum sei ein riesiger Taubenschlag geworden, weil das Haus nicht ordentlich versiegelt wurde. Zudem wurde das Privatgelände in den vergangenen zwei Jahren nur ein einziges Mal vom alten Eigentümer gereinigt. Sicher ist aktuell nur, dass Schriftzüge gesichert und eingelagert wurden und nach dem Abriss eine Stele an das ehemalige Kino erinnern wird.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 170× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 261× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 255× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 108× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 323× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 654× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.