Von Straßen, Häusern und Menschen
Ausstellung im Bezirksmuseum lässt den Besucher in die Geschichte von von fünf Straßen eintauchen

Im Mädewalder Weg in Kaulsdorf wurden ab 1929 Doppelhäuser für Kriegsblinde errichtet, die durch Giftgase im Ersten Weltkrieg Verätzungen erlitten. Davon handelt unter anderem dieser Ausstellungsraum in Haus 1 | Foto: Philipp Hartmann
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  • Im Mädewalder Weg in Kaulsdorf wurden ab 1929 Doppelhäuser für Kriegsblinde errichtet, die durch Giftgase im Ersten Weltkrieg Verätzungen erlitten. Davon handelt unter anderem dieser Ausstellungsraum in Haus 1
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Die Ende März eröffnete neue Ausstellung des Bezirksmuseums Marzahn-Hellersdorf entführt Besucher in die abwechslungsreiche Geschichte des Bezirks. Anhand von fünf Straßen, je eine aus jedem Ortsteil, werden zahlreiche Aspekte aufgegriffen, die den meisten Bewohnern wenig oder kaum bekannt sein dürften.

Ausgewählt wurden Straßen, die möglichst die gesamte Vielfalt des Bezirks widerspiegeln, wie unter anderem eine typische alte Dorfstraße und Straßen, wie sie exemplarisch heute in den Großsiedlungen vorkommen. Gemeinsam mit Iris Krömling, die das Haus 2 des Bezirksmuseums leitet, hat die Berliner Woche zu jeder Straße eine interessante Geschichte aus der Ausstellung herausgesucht.

Kriegsblindenhäuser im Mädewalder Weg. Infolge von Verätzungen durch Giftgase im Ersten Weltkrieg verloren viele Soldaten ihr Augenlicht. Der 1916 gegründete „Bund erblindeter Krieger“ sorgte im Rahmen des Reichsversorgungsgesetzes dafür, dass die Kriegsblinden eine angemessene Versorgung und gesellschaftliche Anerkennung erhielten. Sie bekamen eine Invalidenrente, manche konnten auch in Arbeitsstellen vermittelt werden. Im Mädewalder Weg in Kaulsdorf wurden ab 1929 Doppelhäuser errichtet, um den Kriegsblinden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Sie existieren noch heute. Im Ausstellungraum sind auch eine Blindenschreibmaschine, eine Schreibtafel für Brailleschrift und die Blindenbrettspiele „Dame“ und „Mühle“ zu sehen, die aus der damaligen Zeit stammen.

Die Blindenbrettspiele „Dame“ und „Mühle“ stammen aus einem privaten Nachlass. | Foto: Philipp Hartmann
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Archäologische Funde in Alt-Biesdorf. Heute befindet sich auf dem historischen Gutshof Biesdorf das neue Wohnquartier Gut Alt-Biesdorf. Rund 1000 Menschen haben hier ein neues Zuhause gefunden. Vor Jahrhunderten war an dieser Stelle noch ein Rittergut. Deshalb wurde im Jahr 2017 vor dem Bau des Wohnquartiers eine archäologische Grabung durchgeführt. Dabei stießen die Experten auf Gruben mit vollständigen Tierskeletten. Außerdem wurde ein hölzerner Maischebottich freigelegt, Überbleibsel einer Spiritusbrennerei aus der Mitte der 19. Jahrhunderts. Entdeckt wurden auch mehrere Feuerstellen und ein Brunnen mit Keramikresten aus verschiedenen Zeitaltern, darunter eine Feuersteinklinge aus der Steinzeit.

In seiner Wohnung in der Hönower Straße 168 gründete der Buchhändler Alfred Holz im Jahr 1945 einen Verlag, der sich später zu einem der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchverlage der DDR entwickelte. Einen Überblick über die Bücher des Verlags gibt diese Vitrine. | Foto: Philipp Hartmann
  • In seiner Wohnung in der Hönower Straße 168 gründete der Buchhändler Alfred Holz im Jahr 1945 einen Verlag, der sich später zu einem der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchverlage der DDR entwickelte. Einen Überblick über die Bücher des Verlags gibt diese Vitrine.
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Drei besondere Frauen und die schönsten Bücher der DDR. Im Ausstellungsraum über die Hönower Straße in Mahlsdorf stehen drei Damen und ein Verlag im Mittelpunkt. Eine der porträtierten Damen ist Edith Schönert-Geiß. Sie lebte mit ihrem Mann von Mitte der 1960er-Jahre an in der Hönower Straße 171. Die Numismatikerin erhielt von der bulgarischen Stadt Stara Zagora im Jahr 1987 die Ehrenbürgerschaft für ihre Forschungen zu den griechischen Münzen von Augusta Traiana, wie die Stadt in der Antike hieß. Bereits 1927 zog Emma Döltz in die Hönower Straße 270. Sie engagierte sich ab 1890 in der sozialdemokratischen Frauenbewegung und in der Kinderschutzkommission, trat später in die SPD ein und verfasste Gedichte für die von Clara Zetkin herausgegebene Frauenzeitschrift „Gleichheit“. Aus dem Besitz von Käthe Voderberg ist wiederum ein Mikroskop aus den 1930er-Jahren ausgestellt. Sie wurde 1960 zur Dekanin an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität ernannt. Eine weitere Vitrine widmet sich dem Alfred-Holz-Verlag, den der Buchhändler 1945 in seiner Wohnung in der Hönower Straße 168 gründete und der sich später zu einem der bekanntesten Kinder- und Jugendbuchverlage der DDR entwickelte. Etliche Werke des Verlags wurden als „schönste Bücher der DDR“ ausgezeichnet.

In der Hönower Straße 171 lebte einst die Numismatikerin Edith Schönert-Geiß. | Foto: Philipp Hartmann
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Der dreiköpfige Drache aus dem Fahrstuhlschacht. Die in den 70er-Jahren entstandene Allee der Kosmonauten ist eine der wichtigsten Verkehrsadern im Bezirk. In den Achtzigern entstand an der Allee der Kosmonauten 37 eine Radiofabrik, in die Anfang 1987 der VEB Stern-Radio Berlin seinen Hauptsitz verlegte. Das Unternehmen wurde nach der Wende aufgelöst. In der Ausstellung ist das letzte dort produzierte Gerät zu sehen: ein Stereo-Radiokassettenrecorder, der damals für 1720 DDR-Mark verkauft wurde. Besonderer Hingucker gleich daneben ist der dreiköpfige Drache „Feuerschief“, ein selbstgebautes Unikat aus dem Statttheater Lichtenberg in der Allee der Kosmonauten 67 in Marzahn. Die Theaterdekoration stammt aus der Inszenierung des Stücks „Armer Ritter“ von Peter Hacks.

Das letzte produzierte Gerät im nach der Wende aufgelösten VEB Stern-Radio Berlin an der Allee der Kosmonauten 37 war dieser Stereo-Radiokassettenrecorder. | Foto: Philipp Hartmann
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Ein Kartenspiel als Stück Heimatverbundenheit.
Zu DDR-Zeiten sollte die Kastanienallee, heute Kastanienboulevard genannt, zur Flaniermeile mit zahlreichen Geschäften für die neuentstehenden Wohnkomplexe in Hellersdorf werden. Daraus wurde jedoch nichts. Stattdessen entwickelte sich die Straße ganz anders. Heute sind dort verschiedene Künstler aktiv, darunter Carola Rümper. Seit Jahren initiiert sie immer wieder Kunstprojekte mit Anwohnern. Ein Ausstellungsbereich ist ihrem von 2020 bis 2022 durchgeführten Projekt „Boulevard ist Trumpf“ gewidmet, wobei individuelle Skatblätter entwickelt wurden.

Im Kastanienboulevard sind heute verschiedene Künstler aktiv. Von Carola Rümper initiiert wurde das Kunstprojekt „Boulevard ist Trumpf“, bei dem von 2020 bis 2022 Anwohner individuelle Skatblätter entwickelten. | Foto: Philipp Hartmann
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„Straßen – Häuser – Menschen“, Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf, Haus 1, Alt-Marzahn 51, und Haus 2, Alt-Marzahn 55, bis zum 5. November, Öffnungszeiten: Mo bis Fr 10-18 sowie am ersten Sonntag im Monat 11-17 Uhr.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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